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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
Autoren: Ines Thorn
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Was habe ich dir getan?»
    Gustelies, noch immer in Rage, reckte das Kinn noch weiter nach vorn, als wäre sie ein Huhn, das Körner picken will. «Sommer ist, wenn du es genau wissen willst. Und während sich die anderen den Genüssen der lauen Lüfte hingeben, versauere ich hier in deinem Pfarrhaushalt.»
    Pater Nau riss die Augen auf. «Was heißt das?», fragte er alarmiert. «Gefällt es dir hier nicht? Möchtest du lieber irgendwo allein leben? Ohne mich?»
    Er schüttelte den Kopf, als könne er sich das überhaupt nicht vorstellen, doch Gustelies hob die Hand und winkte ab. «Frage nicht und setz dich hin. Ich mache neue Grütze.»
    Sie fühlte sich mit einem Schlag alt. Schlurfend holte sie Milch aus der Vorratskammer, füllte den Topf erneut damit, streute Buchweizen hinein. Der Löffel lag ihr so schwer in der Hand, dass sie kaum damit rühren konnte. Sie glaubte, jeden Knochen in ihrem Leib spüren zu können. Ängstlich sah sie an sich herab. Ihre Leibesmitte war in den letzten Jahren fülliger geworden, aber der Busen war noch prall, wenn auch nicht mehr so fest wie früher. Sie hatte noch fast alle Zähne und nur wenig Grau im Haar. Aber die Haut an den Oberarmen! Schlabberig wie ein Putzlumpen. Von den Dellen an den Schenkeln ganz zu schweigen. Und seit neuestem zogen sich auch noch Krampfadern ihre Waden hinauf. Außerdem tat ihr oft der Rücken weh, und ihre Füße schwollen an, sobald sie irgendwo längere Zeit stand. Seit einigen Wochen hatte sie überdies bemerkt, dass sie endgültig aus dem Alter heraus war, in dem Frauen Kinder bekommen können. Die Leinenbinden für die Mondblutung hatte sie ewig nicht mehr gebraucht, dafür trug sie nun ein mit Minzwasser getränktes Tuch bei sich, das ihr Linderung verschaffen sollte, wenn die Hitze sie übermannte.
    Ich werde alt, dachte Gustelies. Auch wenn ich mich im Herzen noch jung fühle. Das ändert nichts daran, dass ich eine Großmutter bin. Die schönste Zeit meines Lebens liegt hinter mir. Alles, was jetzt noch kommt, verlangt Demut und die Fähigkeit, Schmerzen zu ertragen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und einen Augenblick lang hatte sie den Eindruck, um etwas Wichtiges im Leben betrogen worden zu sein.
    Viel zu früh riss sie den Topf vom Herd und füllte die Teller mit dem Brei.
    Der Pater nahm einen Löffel voll und kaute darauf herum, als hätte ihm jemand ein zähes Stück Altfleisch auf den Teller gelegt. «Schmeckt gut!», log er und wischte sich den Mund ab.
    Gustelies aber feuerte ihr Mundtuch auf den Tisch, schob den Brei von sich und stand auf. «Ich gehe auf den Markt», verkündete sie. «Hast du auf etwas Besonderes Appetit?»
    Pater Nau überlegte. «Huhn. Ja. Huhn würde ich gern einmal wieder essen. Brathuhn. Aber wenn du etwas anderes willst – ich bin mit allem zufrieden.»
    Er wusste genau, dass Huhn eine von Gustelies’ Lieblingsmahlzeiten war. Gustelies kniff die Augen ein wenig zusammen. Sie hob die Hand und strich ihrem Bruder einmal über das lichte Haar. «Ist schon gut», sagte sie. «Letztlich kannst du ja auch nichts dafür. Mach dir keine Sorgen.»
    Pater Nau sah seine Schwester mit großen Augen an, und Gustelies wusste, dass er gern erfahren hätte, wofür genau er nichts konnte, doch ihr Blick verbot ihm den Mund. Also stand der Pater auf, machte eine ziellose Handbewegung und erklärte: «Ich muss die Predigt für den Sonntag vorbereiten. Es gibt noch viel zu tun bis dahin. Und am Nachmittag kommt Bruder Göck. Wir haben einen theologischen Diskurs über Judas Ischariot.»
    «Ich kann mir schon denken, dass der Mönch einiges über den Verräter zu sagen hat!» Gustelies zog die Stirn in Falten, als sie den Namen des Antonitermönches hörte, der sich als bester Freund des Paters ausgab und ihm auch schon aus mancher Patsche geholfen hatte. Doch Gustelies und Bruder Göck standen in letzter Zeit ein wenig auf Kriegsfuß miteinander. Der Antoniter trank den guten Dellenhofener Wein und naschte von Gustelies’ Kuchen, ohne dafür, wie Gustelies im Stillen meinte, eine Gegenleistung zu erbringen. Eine einzelne Blume vielleicht, oder ein Kompliment über ihr schönes Haar. Irgendetwas. Aber der Mönch tat, als wäre Gustelies ein Ding, das in die Küche gehörte wie der Herd oder die Kupferpfanne.
    «Hmm», brummte sie, doch ehe ihr eine ausführlichere Antwort einfiel, war Pater Nau schon die Treppe hinauf zu seinem Studierzimmer gehuscht.
    Noch immer missmutig räumte Gustelies den Tisch ab, streute
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