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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
Autoren: Ines Thorn
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die Kriegsfolgen ausbaden müssen?»
    Sie winkte ab, zog die Nase hoch und ging ihrer Wege. Gustelies sah ihr hinterher. Es ist, wie sie sagt, dachte sie. Die Männer führen Kriege aus Gründen, die ich nicht verstehe, aber am Ende sind es die Frauen, die als Witwen, und die Kinder, die als Waisen zurückbleiben. Was haben wir mit dem Landgrafen Philipp zu tun? Was mit dem Württemberger Ulrich? Nichts, rein gar nichts.
    Gustelies drehte dem Karren den Rücken zu, wollte nicht länger die jungen Männer sehen, die drauf und dran waren, in ihr Unglück zu rennen.
    Das strahlende Wetter hatte auch die Patrizierinnen aus ihren prächtigen Häusern mit den Butzenfenstern gelockt. Hochmütig stolzierten sie durch die Reihen der Marktbuden, befingerten da eine Bordüre, dort ein Stück edlen Stoff, und anderswo probierten sie einen neuen Kamm oder eine silberne Schnalle und waren ängstlich darauf bedacht, nur keinen Sonnenstrahl auf ihre feine weiße Gesichtshaut fallen zu lassen. Einige hatten sich mit Bleiweiß die Wangen bestrichen, um ihre Blässe noch zu betonen, andere versteckten sich unter Schleiern und seidenen Tüchern. Ihre Mägde folgten ihnen, nicht ohne den feschen Händlern und Reisenden verstohlene Blicke zuzuwerfen. Sie hatten keine Angst vor der Sonne, manche von ihnen hatten ihre Brusttücher so weit gelockert, dass die Männerblicke auf festes weißes Fleisch fielen.
    Gustelies schüttelte sich, als sie das sah. «Schamlos», murmelte sie vor sich hin. «Einfach schamlos. Die Sitten verfallen, und niemand tut etwas dagegen. Das kommt nur durch diese Glaubensstreitereien. Als alles noch beim Alten war und der Papst für jedermann der Stellvertreter Gottes auf unserer Erde, da gab es noch Regeln. Jeder wusste, was gottgefällig war und was nicht. Heutzutage ist alles durcheinander. Würde mich nicht wundern, wenn eines Tages die ganze Stadt versinkt wie Sodom und Gomorrha.»
    Sie machte an einem Stand mit Geflügel halt. In einem riesigen Korb lagen ein halbes Dutzend Hühner über- und nebeneinander, die Beine mit Stricken gefesselt und ihren Protest über diese Behandlung laut in die Welt gackernd. Auf dem Tisch befanden sich etliche Hahnenkämme, ein Eimer war bis zum Rand mit gelben Hühnerfüßen gefüllt.
    «Na, Gevatterin, soll es ein Huhn sein? Schön fett, mit gutem Korn gefüttert?»
    Der Händler, ein vierschrötiger Mann mit bis zu den Ellbogen aufgekrempeltem Hemd, hielt Gustelies ein gefesseltes Huhn vor die Nase. «Seht nur, die Schenkel. Ganz zart, ganz frisch. Oder braucht Ihr ein Huhn für die Suppe? Dann nehmt das. Ein bisschen älter, ein bisschen billiger, aber noch voll im Saft. Aus dem könnt Ihr eine gute Brühe machen.»
    Gustelies wich dem hackenden Hühnerschnabel aus. «Ein jüngeres Huhn brauche ich. Ein Brathuhn. Zart und saftig. Dazu ein Pfund von den Hahnenkämmen für die Suppe.»
    Gustelies trat näher an den Stand heran und beäugte die Hühner. Dann zeigte sie mit dem Finger auf eines, das ganz hinten lag. «Da. Den Hinkel gebt mir.»
    Der Geflügelhändler beugte sich zu dem Korb, hielt aber kurz inne. «Ich habe auch noch zwei Kapaune. Schön fett. Wollt Ihr lieber einen Kapaun?»
    Gustelies schüttelte den Kopf. «Ein gewöhnliches Huhn zum Braten brauche ich. Mehr nicht.»
    Seufzend brachte der Mann das Huhn nach oben und warf es auf den Stand. Gustelies betrachtete das Gefieder und nickte zufrieden. «Das nehme ich.»
    Der Händler packte das Tier und wollte es Gustelies über den Tisch reichen, doch die verschränkte die Arme vor der Brust. «Was denkt Ihr Euch? Soll ich mit dem gackernden Vieh meine weiteren Einkäufe machen? Dreht ihm den Hals um, aber rasch, ehe ich es mir anders überlege und zum nächsten Stand gehe.»
    Wieder seufzte der Händler, packte dann das Vieh zwischen seine Knie, bog den Tierkopf nach hinten und trennte ihm mit einem raschen Schnitt seines Messers den Kopf ab. Das Huhn zappelte, entwischte dem Mann und rannte kopflos einige Schritte, ehe es taumelnd zusammenbrach.
    «Mistviech!», brüllte der Händler, rannte seinem Huhn hinterher, schüttelte das Blut ab, sodass es auf das Kleid einer kreischenden Magd spritzte, dann packte er eine Handvoll Stroh in Gustelies’ Korb und das kopflose Huhn obendrauf. Er raffte ein Dutzend Hahnenkämme zusammen und warf sie dem Huhn hinterher. «Lasst es Euch gut schmecken», brummte er, nahm Gustelies’ Geld in Empfang und wischte sich die blutverschmierten Hände an seiner Schürze
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