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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway
Autoren: Leonardo Padura
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politischen Sinneswandels von Dos Passos gewesen. Später fand Dos Passos heraus, dass Robles zu gut über verschiedene unsaubere Geschichten Bescheid wusste und eines der ersten Opfer stalinistischen Terrors im Spanien des Jahres 1936 geworden war. Während die Moskauer Schauprozesse liefen, wollten sich die Sowjets ihren Einfluss über die spanischen Republikaner sichern. Kurze Zeit später würde Stalin sie links liegen und im Kampf gegen die Faschisten alleine lassen. Hemingway schlachtete diese verworrene, obskure, schäbige Geschichte aus, und am Schluss stand Don Passos als Feigling und er selbst als Held da. Doch die Wahrheit kam schließlich an den Tag und zeigte, wie sehr Hemingway in seiner naiven Eitelkeit zu einem Instrument in den Händen der stalinistischen Propagandisten jener finsteren Jahre geworden war. Die unappetitliche Episode hatte bei Mario Conde einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen, und jetzt, inmitten der vielen Dinge, die der ruhmbedeckte Hausherr dieses hochherrschaftlichen Anwesens zusammengekauft, gejagt oder aus aller Welt geschenkt bekommen hatte, wurde Mario sich bewusst, dass er liebend gerne einen Beweis für Hemingways Schuld gefunden hätte. Es wäre nicht schlecht, dachte er, wenn sich herausstellen würde, dass er ein ganz gewöhnlicher gemeiner Mörder war.
     
    Den ganzen Nachmittag schon regnete es. Die Fenster in Mary Welshs Zimmer waren geschlossen. El Conde lag im Dunkeln auf dem Bett und wartete darauf, dass der Regen aufhörte. Er hatte Hunger, und die schwüle Sommerhitze lastete auf ihm. Wie viele Male wohl hatten sie sich auf diesem Bett geliebt?, fragte er sich. Und wie oft hatten die Museumsangestellten es für ihre Seitensprünge entweiht?
    Drei Stunden lang hatte er sich im Haus umgeschaut, und am Ende war ihm klar geworden: Er musste alles über die Geschichte der gefundenen Knochen in Erfahrung bringen. Dann erst würden all diese Gegenstände und Dokumente ihm ihre eigene Geschichte enthüllen und ihm klar und verständlich auch die Geschichte Hemingways entschlüsseln. Immerhin hatte die Hausdurchsuchung schon drei Vermutungen bestätigt. Die erste lag auf der Hand: In diesem Haus gab es so einige Bücher, die auf dem Markt, für den Mario arbeitete, fantastische Preise erzielen konnten. Zweitens: Hemingway musste masochistisch veranlagt gewesen sein, falls seine Reiseschreibmaschine »Royal« tatsächlich auf einem Pult stand und er im Stehen schrieb. Denn Schreiben ist – Mario wusste es nur zu gut – ein für den Geist an sich schon zu schwieriges Unterfangen. Warum es darüber hinaus noch zu einer physischen Herausforderung machen? Und schließlich hatte sich zu Hemingways Masochismus vermutlich noch eine Portion Sadismus gesellt: Alle diese über die Zimmerwände verteilten toten Tierköpfe hatten eine Aura von sinnlosem Blutvergießen, von Gewalt aus reiner Freude an der Gewalt, sodass einen unwillkürlich eine Abscheu vor diesem Mann beschlich, der so viel Tod verbreitet hatte.
    Kurz nach vier Uhr wurde er von Schlägen gegen die Haustür aufgeschreckt. Wie ein Schlafwandler wankte er in den Salon und sah einen aufgeregten Museumsleiter vor sich.
    »Ich dachte schon, es wär Ihnen was passiert.«
    »Nein, ich hab mich nur gelangweilt.«
    »Und? Sind Sie fündig geworden?«
    »Weiß ich noch nicht … Hats aufgehört zu regnen?«
    »So gut wie.«
    »Und die Polizisten?«
    »Sind weggegangen, als es anfing zu regnen. Das Grundstück ist ein einziger Morast.«
    »Fahren Sie nach Havanna rein?«
    »Ja, nach Santos Suárez.«
    »Können Sie mich mitnehmen?«, wagte El Conde zu fragen.
    Wie er befürchtet hatte, redete Tenorio während der ganzen Fahrt. Er schien tatsächlich über Hemingways Leben in Kuba bestens Bescheid zu wissen, und er war ein bedingungsloser Bewunderer des Schriftstellers. Na ja, ist ja wohl auch angebracht, wenn man mit und von ihm lebt, dachte Mario und ließ den Mann reden, während er die Informationen in seinem vor Müdigkeit und Erschöpfung benommenen Hirn zu speichern versuchte.
    »Wir, die Hemingwayaner Kubas, sind sehr daran interessiert, dass diese Sache völlig geklärt wird. Ich zumindest bin mir sicher, dass er kein …«
    »Die Hemingwayaner Kubas? Was ist das denn? Eine Loge oder eine Partei?«
    »Weder noch. Wir sind eine Vereinigung von Leuten, die Hemingway verehren. Bei uns ist alles vertreten: Schriftsteller, Journalisten, Lehrer, auch Hausfrauen und Rentner …«
    »Und was machen die so, die Hemingwayaner
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