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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway
Autoren: Leonardo Padura
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Aber saufen tut er, mein lieber Dicker, mein Vater …«
    »Dann hat er ja noch Glück gehabt, dass er überhaupt Cabo geworden ist«, bemerkte El Conde und winkte dem Mann in der Grube zu. Wenn der wirklich so gerne einen zur Brust nimmt, wie Crespo sagt, dann ist dieser Cabo Fleites einer von uns, gewissermaßen mein Leidensgenosse, dachte er. »Und? Schon was gefunden?«
    »’n Scheiß haben wir gefunden«, schimpfte Crespo.
    »War doch deine famose Idee, in der Erde rumzubuddeln!«, schnauzte ihn sein Kollege an.
    »Nun mal langsam. Das hat sich dein Chef ausgedacht. Mich fragt doch keiner …«
    »Manolito also …«, stellte El Conde fest. »’n Scheißchef habt ihr da … Sagt mir die Wahrheit: Wer ist besser als Chef, Manolo oder ich?«
    Crespo und El Greco sahen sich an. Sie zögerten mit der Antwort. Schließlich sagte Crespo: »Kein Thema, Conde. Verglichen mit dir ist Manolo ’n Schatz.« Die beiden lachten.
    »Undankbares Pack …«, murmelte ihr ehemaliger Vorgesetzter.
    »Hör mal, Conde, du bist doch so schlau und außerdem so was Ähnliches wie ’n Schriftsteller …« El Greco legte ihm eine lehmverschmierte Hand auf die Schulter und schaute feixend zu Fleites hinunter. »Der da sagt, Cheminguey hat seiner Frau einmal in den Hintern getreten, weil sie ’n Strauch abgehackt hat. Stimmt das?«
    »Nicht einmal, zweimal! Und außerdem hat er ihr noch ’ne Ohrfeige verpasst.«
    Cabo Fleites grinste stolz aus seiner Grube heraus.
    »Der Typ war doch bescheuert«, urteilte Crespo.
    »Ja, aber so bescheuert nun auch wieder nicht«, entgegnete El Greco. »Hab mal gelesen, dass es einer Ehe gut tut, wenn man der Frau ab und zu in den Hintern tritt. Dient der Ehehygiene.«
    »Dafür muss man nicht unbedingt lesen können«, bemerkte Crespo.
    »Also, hier gibts nichts zu finden?«, fragte El Conde, um der tiefsinnigen Diskussion ein Ende zu setzen.
    »Die Knochen haben die ja alle schon rausgeholt, dazu ’n paar Stofffetzen und das, was von den Schuhen übrig geblieben ist. Jetzt gibts hier nur noch Steine und Wurzeln.«
    »Da muss aber noch mehr sein. Hab so ein Gefühl. Hier, hier fühl ichs.« El Conde tippte sich auf die linke Brustseite, dorthin, wo das Gefühl wehtat. »Also, grabt weiter! Bis irgendwas auftaucht …«
    »Und wenn nichts auftaucht?«, dröhnte die Stimme von Cabo Fleites aus den Tiefen der Grube.
    »Die Finca ist groß«, lautete die Antwort. »Irgendwas werdet ihr sicher finden … Ich werd inzwischen mal mit dem Museumsleiter reden, er muss mich ins Haus lassen. Übrigens, wo habt ihr das Schild her, das draußen überm Tor hängt?«
    »Von der Pizzeria im Dorf«, sagte El Greco. »Ist aber nur geliehen.«
    »Also, wir sehn uns. Sagt Bescheid, wenn ihr mit dem Graben fertig seid.« Mario entfernte sich.
    »Hör mal, Conde«, rief Crespo ihm hinterher, »vielleicht wärs besser, du schreibst Gedichte und lässt uns in Ruhe, was meinst du?«
    Mario lächelte und ging auf die ehemalige Garage der Finca zu, in der jetzt die Büros der Museumsleitung untergebracht waren. Der Direktor stellte sich mit »Juan Tenorio« vor. Er war etwas jünger als Mario, sehr hässlich, liebenswürdig und geschwätzig. El Conde versuchte vergeblich, seinen Redeschwall zu unterbinden. Tenorio wollte unter Beweis stellen, dass er ein fähiger Museumsdirektor war und bestens über Hemingway und die Finca Vigía Bescheid wusste. Beflissen bot er sich dem Besucher als Fremdenführer an, doch El Conde lehnte sein Angebot so höflich wie möglich, aber bestimmt ab. Nein, dieser Besuch, sein erster im Innern des Wohnhauses, ging nur Hemingway und ihn etwas an, war sozusagen ihre ganz persönliche Auseinandersetzung, der er sich in aller Ruhe und ohne Zeugen stellen musste.
    »Jetzt ist es zehn Uhr. Bis wann kann ich mich im Haus aufhalten?«, fragte El Conde, nachdem Tenorio ihm den Schlüssel ausgehändigt hatte.
    »Wir machen um vier Schluss. Aber falls Sie …«
    »Nein, um vier bin ich wieder draußen. Und sorgen Sie dafür, dass ich nicht gestört werde. Vielen Dank.« Und damit wandte er dem Museumsdirektor den Rücken zu.
    Er stieg die sechs Stufen hinauf, die den Asphaltweg von der Grünfläche trennten, auf der das Haus stand, und atmete tief durch. Auch die sechs Schritte zum Haupteingang brachte er tapfer hinter sich, steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch und öffnete die Tür. In dem Moment, als er den Fuß über die Schwelle setzte, wurde ihm klar, dass es kein Zurück mehr geben würde, wenn
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