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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway
Autoren: Leonardo Padura
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Kubas?«
    »Nun ja, Hemingway lesen, über ihn forschen, Kolloquien über sein Leben veranstalten …«
    »Und wer leitet das Ganze?«
    »Niemand … Na ja, ein wenig ich, ich organisiere die Veranstaltungen. Aber einen eigentlichen Leiter haben wir nicht.«
    »Also so was wie eine Glaubensgemeinschaft, nur ohne Kirche und Priester. Gar nicht schlecht«, stellte El Conde erstaunt fest. Eine Organisation unabhängiger Gläubiger in Zeiten gewerkschaftlich organisierter Ungläubiger …
    »Das hat mit Glauben nichts zu tun«, widersprach Tenorio. »Hemingway war einfach ein großer Schriftsteller und nicht der gewalttätige Wüstling, als der er manchmal hingestellt wird. Und Sie, sind Sie kein Hemingwayaner?«
    El Conde musste einen Moment nachdenken, bevor er antwortete: »Ich war einmal einer, aber dann bin ich aus dem Club ausgetreten.«
    »Und Polizist? Sind Sie Polizist, oder sind Sie keiner?«
    »Auch nicht. Ich denke, ich bin nicht mehr Polizist.«
    »Aber was sind Sie dann? Wenn man fragen darf …«
    »Wenn ich das nur wüsste! Im Moment weiß ich nur, was ich nicht sein will. Und eins von dem, was ich nicht sein will, ist Polizist. Hab zu oft erlebt, wie Leute von der Kripo zu Arschlöchern geworden sind, wo es doch ihre Arbeit sein sollte, den Arschlöchern das Leben schwer zu machen.«
    »Da ist was dran«, stimmte Tenorio nachdenklich zu.
    »Und Sie als überzeugter Hemingwayaner, was halten Sie von den Knochen, die auf dem Grundstück gefunden worden sind?«
    »Eine sehr mysteriöse Geschichte. Aber ich bin sicher, dass Hemingway den Mann nicht umgebracht hat. Ich weiß das, ich hab mich nämlich oft mit den alten Leuten unterhalten, die ihn gekannt haben. Mit Raúl Villaroy zum Beispiel, als er noch gelebt hat, mit Ruperto, dem Kapitän der Pilar, und auch mit Toribio Hernández, der sich um Hemingways Hähne gekümmert hat.«
    »Der Geschorene? Lebt der überhaupt noch?«, wunderte sich Mario. Nach seinen Erinnerungen musste Toribio mindestens zweihundert Jahre alt sein.
    »Er lebt, und er erzählt schaurige Dinge über Hemingway. Allerdings nimmt er es mit der Wahrheit nicht so genau … Als ich mit diesen Leuten gesprochen habe, wurde mir klar, dass Hemingway ein besserer Mensch war, als es den Anschein hatte. All den Leuten hat er irgendwann mal im Leben einen großen Gefallen getan. Auch vielen seiner Freunde. Und seinen Angestellten hat er ganz konkret geholfen. Den einen hat er schlimme Dinge verziehen, die sie getan hatten, und ihnen auf der Finca Arbeit gegeben. Andere hat er in schwierigen Situationen unterstützt. Und er hat sie anständig bezahlt. Darum wäre fast jeder, der bei ihm gearbeitet hat, sogar bereit gewesen, einen Mord zu begehen, wenn Papa es verlangt hätte.«
    »Einen Mord?«
    »Ach, das ist nur so ’ne Redensart …« Der Museumsleiter merkte, dass er vielleicht übertrieben hatte, doch er blieb dabei. »Ja, einige von ihnen wären im Stande gewesen, für ihn zu töten, das glaube ich.«
    »Klingt nach Vito Corleone. Ich tu dir einen Gefallen, dafür bist du mir dann bedingungslos ergeben. Auch eine Art, Leute zu kaufen.«
    »Nein, so war das nicht.«
    »Ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen.«
    »Raúl Villaroy zum Beispiel. Als Hemingway auf die Finca Vigía kam, war Raúl Waise und schlug sich auf der Straße durch. Hemingway hat ihn sozusagen adoptiert. Er veränderte sein Leben, machte ihn gewissermaßen zu einem Menschen, und Raúl hat natürlich alles mit den Augen seines Wohltäters gesehen. Er war nicht der Einzige. Ruperto verehrt Hemingway noch heute, genauso wie der Spanier Ferrer, sein Arzt. Und Toribio hätte alles für Hemingway getan, egal, was er heute erzählt … Aber sagen Sie, wie hat Ihnen das Haus gefallen?«
    El Conde sah auf die immer noch regennasse Fahrbahn und versuchte sich vorzustellen, wie Hemingway die Dankbarkeit der Leute ausgenutzt haben konnte. Solche Abhängigkeitsverhältnisse führen häufig auf einen gefährlichen Weg, dachte er.
    »Waren Sie früher schon mal drin?«, hakte Tenorio nach, offenbar entschlossen, seinen Beifahrer nicht ohne Antwort davonkommen zu lassen.
    »Nein, drin war ich noch nicht … Sehr interessant, das alles«, sagte El Conde ausweichend.
    »Aber die Waffen haben Sie nicht gesehen.«
    »Nein. Sie befinden sich im Turm, stimmts?«
    »Ja. Und das Spitzenhöschen von Ava Gardner, das haben Sie bestimmt auch nicht gesehen.«
    Mario fuhr hoch. »Das Höschen von wem?«
    »Von Ava Gardner.«
    »Sind Sie
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