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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag
Autoren: David Nicholls
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KAPITEL EINS
Die Zukunft
    Freitag, 15. Juli 1988
    Rankeillor Street, Edinburgh
    »Ich glaube, das Wichtigste ist, irgendwas zu verändern«, sagte sie. »Du weißt schon, wirklich zu verbessern.«
    »Wie, meinst du etwa ›die Welt verbessern‹?«
    »Nicht gleich die ganze Welt. Nur das kleine Stück um dich rum.«
    Für einen Augenblick lagen sie schweigend und eng umschlungen in dem schmalen Einzelbett, dann lachten beide in der Dunkelheit vor Sonnenaufgang leise vor sich hin. »Ich kann es nicht fassen, dass ich das gesagt habe«, stöhnte sie. »Klingt ganz schön abgedroschen, was?«
    »Schon ein wenig.«
    »Ich versuche hier, dich zu inspirieren! Ich versuche, deine schwarze Seele auf das große Abenteuer einzustimmen, das vor dir liegt.« Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. »Nicht, dass du es nötig hättest. Du hast deine Zukunft bestimmt schon total verplant, heißen Dank auch. Hast wohl irgendwo einen Masterplan deines Lebens rumliegen.«
    »Wohl kaum.«
    »Was hast du denn sonst vor? Wie sieht der große Plan aus?«
    »Na ja, meine Eltern holen mein Zeug ab, nehmen es mit nach Hause, und dann verbringe ich ein paar Tage in ihrer Wohnung in London und besuche Freunde. Danach ab nach Frankreich …«
    »Wie nett …«
    »Später gucke ich mich vielleicht ein bisschen in China um, anschließend eventuell weiter nach Indien, ein bisschen rumreisen …«
    » Reisen «, seufzte sie. »War ja klar.«
    »Was hast du gegen Reisen?«
    »Klingt mehr nach Realitätsflucht.«
    »Ich finde, die Realität wird überbewertet«, sagte er in der Hoffnung, düster und charismatisch zu klingen.
    Sie schniefte. »Schätze, das geht in Ordnung, wenn man es sich leisten kann. Aber warum sagst du nicht gleich: ›Ich nehm zwei Jahre Urlaub‹? Ist doch gehopst wie gesprungen.«
    »Weil Reisen den Horizont erweitert«, sagte er, stützte sich auf den Ellbogen und küsste sie.
    »Also, ich glaube, in deinem Fall hieße das Eulen nach Athen tragen«, sagte sie und wandte das Gesicht ab, zumindest für den Moment. Sie ließen sich auf das Kissen zurücksinken. »Egal, ich hab nicht gemeint, was du nächsten Monat machst, sondern in der richtigen Zukunft, wenn du, keine Ahnung …« Sie schwieg, als versuchte sie sich etwas Fantastisches vorzustellen, etwa eine fünfte Dimension. »… 40 bist oder so. Was willst du mit 40 sein?«
    » 40 ?« Auch er hatte Mühe, sich das auszumalen. »Keinen Schimmer. Wie wärs mit ›reich‹?«
    »So was von oberflächlich.«
    »Na gut, dann ›berühmt‹.« Er knabberte an ihrem Nacken. »Etwas morbide, die Vorstellung, oder?«
    »Nicht morbide, es ist … aufregend.«
    »›Aufregend!‹« Er ahmte ihren leichten Yorkshire-Akzent nach, so dass es bescheuert klang. Sie erlebte oft, wie reiche, verwöhnte Jungs Dialekte nachäfften, als ob sie ungewöhnlich oder seltsam wären, und nicht zum ersten Mal verspürte sie einen beruhigenden Anflug von Abneigung gegen ihn. Sie rückte von ihm ab und presste den Rücken an die kühle Wand.
    »Ja, aufregend. Wir sollten schließlich aufgeregt sein, oder? So viele Möglichkeiten. Wie der Vizedekan schon sagte: ›Alle Türen stehen Ihnen weit offen …‹«
    »›Ihre Namen werden dereinst die Zeitungen zieren …‹«
    » Eher unwahrscheinlich.«
    »Und, bist du aufgeregt?«
    »Ich? Gott nein, ich mach gleich in die Hose.«
    »Ich auch. Heilige Scheiße …« Plötzlich drehte er sich um und griff nach den Zigaretten auf dem Boden neben dem Bett, wie um seine Nerven zu beruhigen. »40 Jahre. 40. Teufel auch.«
    Sie lächelte über seine Panik und beschloss, noch einen draufzusetzen. »Und was willst denn du jetzt machen, wenn du 40 bist?«
    Nachdenklich zündete er sich eine Zigarette an. »Tja, die Sache ist die, Em …«
    »›Em‹? Wer soll das denn sein?«
    »Alle nennen dich Em. Ich habs gehört.«
    »Ja, meine Freunde nennen mich Em.«
    »Und, darf ich jetzt Em zu dir sagen?«
    »Nur zu, Dex .«
    »Also, ich habe ziemlich viel über diesen ganzen ›Erwachsenwerden‹-Kram nachgedacht und bin zum Schluss gekommen, dass ich genau so bleiben will, wie ich jetzt bin.«
    Dexter Mayhew. Sie linste unter ihrem Pony zu ihm hoch, während er sich an das billige Vinyl-Knopfpolster lehnte, und selbst ohne Brille konnte sie klar erkennen, warum er genau so bleiben wollte, wie er war. Die Augen geschlossen, die Zigarette lässig im Mundwinkel, eine Seite des Gesichts vom warmen, durch den Vorhang rötlich gefärbten Licht des Sonnenaufgangs beschienen,
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