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Ackermann tanzt

Titel: Ackermann tanzt
Autoren: Hiltrud Leenders
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vor der Klasse. Jeden Tag würde der Alte das jetzt so machen, hatte er gesagt. Weil ab heute »andere Saiten aufgezogen« würden. Und deswegen durfte er jetzt hier rumhängen und sollte auch noch dem Idioten da vorn nach dem Maul reden. Scheiße!
    Aber Gott sei Dank gab es Montag neue Knete. Dann würde Papa erst mal wieder den ganzen Tag in der Kneipe abhängen können oder sich zu Hause einen reintun, da hatte er die »anderen Saiten« sofort wieder vergessen.
    Trotzdem, jetzt war Wochenende und er durfte mit dem Alten in der Bude hocken.
    Wenn Mama noch da wäre, die hätte das alles für ihn hingebogen, aber die war ja zu dem neuen Macker gezogen, die alte Fotze! Nachkommen lassen würde sie ihn, hatte sie fest versprochen. Aber jetzt war da auf einmal keine Rede mehr von. Sie schickte bloß noch Sachen. Klar, der discman war geil und die PlayStation auch, aber ...
    »Giltjes, du Penner!« Sein Nachbar trat ihm volle Kanne auf den Fuß.
    »Wichser!« Björn Giltjes gab ihm einen Dutz.
    »Aha, Björn, endlich aufgewacht? Manche brauchen eine Extraeinladung.« Der Lehrer stand direkt vor seinem Tisch. »Ich habe dir eine Frage gestellt. Na los, wird’s bald!«
    »Ich ... ich ...«, stammelte Björn. Ihm wurde glühend heiß und er wusste, dass er wieder knallrot geworden war. Ausgerechnet bei dieser Sau musste ihm das passieren.
    »Ich muss pissen«, stieß er hervor.
    »Oh, das tut mir aber Leid. Du kennst doch die Regeln. Nur in der Pause.« Der Pauker setzte sein gemeines Grinsen auf. »Aber ein großer Junge wie du, der kann doch schon mal ein Weilchen aufhalten, oder?«
    Die ganze Klasse grölte. Björn biss sich auf die Unterlippe, bis er Blut schmeckte. Endlich ging das Schwein von seinem Tisch weg.
    »Ej, hasse Tomaten gefrühstückt, Giltjes?«, brüllte Dickmanns.
    Björn lachte am lautesten von allen.
    In letzter Zeit hatte er nur Scheiße am Hals. Mann, was hatten sie gestern Schiss gehabt, als die beiden Typen hinter ihnen her gewesen waren. Kaufmann hatte sich fast in die Hosen gemacht. Hätte man sich auch nicht träumen lassen, dass man sich mal über Bullen freuen würde.

    »Wat is’ jetz’? Fahren wer ma’ zur Schule un’ kucken, wat da abgegangen is’ mit dem Kind, ob dat alles wirklich so stimmt?«, fragte Ackermann.
    »Du fährst«, meinte van Appeldorn. »Ich muss erst noch dafür sorgen, dass dieser Junkie in den Knast kommt.«
    »Alles klar, du bis’ der Boss hier. Ich glaub, ich lauf zu Fuß. Is’ ja bloß ’n Stücksken.«
    Dieser Bau hätte mir als Kind Angst gemacht, dachte Ackermann, als er sich der Liebfrauenschule näherte. Es war ein altes, sehr hohes, dunkles Backsteingebäude. Die bunten Bilder und Aufkleber an den Fenstern wirkten fehl am Platz, brachten die Trostlosigkeit der Fassade erst richtig zum Vorschein.
    An der Bushaltestelle vor dem Schultor tobten ein paar Kinder herum. Zwei Mädchen rangelten um einen Turnbeutel. Ein Junge haute gerade mit voller Wucht einem viel kleineren seinen Schulranzen in die Kniekehlen.
    »Hee!«, rief Ackermann. »Bist du bekloppt?«
    Aber der Junge streckte ihm nur die Zunge raus und rannte weg. Der Kleine hatte sich aufgerappelt und setzte dem anderen nach.
    Ackermann schüttelte den Kopf. Gab es denn hier keine Aufsicht? Den Kindern konnte doch wer weiß was passieren, wenn sie hier auf dem schmalen Bürgersteig rumtollten. Er drückte das schwere Tor auf und sah sich um. Kein Wunder, dass die Kinder sich kloppten. Wenn man nicht sowieso schon Wut im Bauch hatte, auf diesem Schulhof kriegte man sie unter Garantie. So eine Asphaltwüste hatte er lange nicht mehr gesehen. Alles grau in grau, kein einziger Grashalm, nur ganz hinten standen, eingerahmt von Kies, ein paar Bäume.
    Große Pfützen hatten sich in der Mitte des Hofes gebildet. Ob die Kinder wenigstens da mal drin rumplantschen durften? Bestimmt nicht.
    In der linken Ecke wucherte Unkraut. Da musste vor Jahren eine verirrte Seele mal einen Schulgarten angelegt und dann wieder vergessen haben.
    Was konnten die Kinder hier tun außer rumrennen? Als seine Nadine noch klein gewesen war, hatte es mal eine Initiative gegeben »Schulhöfe zu Spielhöfen«. Bei ihnen in Kranenburg hatten die Eltern alle mit angepackt, alles umgebuddelt und dafür gesorgt, dass die Blagen Fußball und Federball spielen konnten, klettern, balgen, Burgen bauen, alles Mögliche eben. Die Idee war an denen hier spurlos vorübergegangen. Ach, doch nicht? Ackermann betrachtete verwundert die
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