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Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3

Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3

Titel: Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3
Autoren: Kerstin Gier
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ausgesehen, und sein Haaransatz spottete jeder Beschreibung. Aber Tante Anke fand Ingo total niedlich. Sie streichelte ihm immerzu über den Kopf und sagte: »Wenn ich mal einen kleinen Jungen habe, muss er genauso aussehen und genauso süß und frech sein wie du.«
    Ich wünschte Tante Anke, dass ihr Wunsch in Erfüllung gehen würde.
    »Selber schuld, wenn du deine Hand da hintust, wo ich rumlaufe«, sagte Ingo zu Kati.
    »Das hast du mit Absicht gemacht!«, sagte ich empört.
    Gabi zog wieder an meinem Ärmel. »Komm, wir gehen zum Trampolin.«
    »Nix da«, sagte Martin. »Das Trampolin gehört uns.«
    »Na, dann geht doch endlich zum Trampolin und lasst uns hier spielen«, sagte ich. Aber Martin dachte gar nichtdaran. Er hatte Katis Monchichi entdeckt und hielt ihn an seinen Öhrchen in die Höhe. Kati hörte vor lauter Schreck auf zu weinen.
    »Boah, ist der hässlich«, sagte Ingo zu dem Monchichi. Wenn ich nicht so wütend gewesen wäre, hätte ich laut gelacht. Der Monchichi hätte schließlich gut und gern Ingos kleiner Bruder sein können.
    »Bitte …, gib ihn mir wieder«, sagte Kati. »Tu ihm nichts.«
    Martin schleuderte den Monchichi in den Sand und trampelte darauf herum. Ingo und die anderen Jungs lachten.
    »Du gemeines Mondgesicht«, rief ich, jetzt so wütend, dass meine Stimme ganz piepsig klang. Ich versuchte, Martin beiseitezuschubsen, um den Monchichi zu retten. Aber Martin schubste mich zurück und drückte den Monchichi mit seinem Absatz tief in den Sand.
    Kati schluchzte bitterlich, und Gabi sagte: »Das sage ich jetzt aber Tante Gerti!«
    »Mach doch, du Petze-Heulsuse«, sagte Martin.
    »Gib. Den. Monchichi. Sofort. Zurück«, piepste ich, wobei ich nach jedem Wort nach Luft ringen musste, weil mir die Wut den Atem genommen hatte.
    Martin kniff seine Augen zusammen. »Du willst wohl unbedingt Prügel, was, Brillenschlange?«
    Das wollte ich natürlich nicht. Ich fürchtete mich vor Prügel, denn ich hatte noch nie welche bekommen, geschweige denn ausgeteilt. Trotzdem sagte ich unerklärlicherweise »Du feiger Erbsenkopf« zu Martin, und Gabi ließ vor Schreck meinen Ärmel los und trat einen Schritt zurück.
    »Ingo, mach die Brillenschlange fertig«, sagte der feige Erbsenkopf.
    »Haha, du traust dich wohl nicht selber, was?«, wollte ich sagen, aber in derselben Sekunde traf mich auch schon Ingos Gummistiefel. Nichts in meinem bisherigen Leben hatte mich auf den Schmerz vorbereitet, der sich in meinem Körper ausbreitete und mich vorübergehend erblinden ließ. Ich sah nur tanzende rote Flecken vor meinen Augen. Als mein Freund Edgar mir Jahre später von dem Tag erzählte, an dem er auf die Stange seines Herrenfahrrads geknallt war und mit Hodenprellungen ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, sagte ich, ich wüsste ganz genau, wie er sich damals gefühlt habe. Nämlich so wie ich, als Ingos Gummistiefel mich zwischen meinen Beinen traf.
    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis der Schmerz wenigstens ein bisschen nachließ, aber es werden schon einige Sekunden gewesen sein. Sekunden, in denen Ingo fleißig weiter nach mir trat. Aber diese Tritte spürte ich gar nicht. Die roten Schleier vor meinen Augen lüfteten sich, und ich konnte wieder einigermaßen klar sehen. Was ich sah, war Ingos hämisches Monchichigesicht, und was ich fühlte, war pure Mordlust. Ich stürzte mich auf ihn, warf ihn rücklings in den Sandkasten und mich auf ihn drauf, und dann schlug ich auf ihn ein. Tante Gerti sagte meinen Eltern später, ich hätte ihn auch gewürgt, aber daran kann ich mich nicht erinnern. Nur daran, was für ein gutes Gefühl es war, als Blut aus der Himmelfahrtsnase geschossen kam. Und dass Ingo immer »Hilfe! Hilfe!« brüllte, aber niemand ihm half.
    Nach einer Weile hörte ich auf, auf Ingo einzudreschenund stand auf, um stattdessen auf Martin einzudreschen, aber da war Martin schon weggelaufen. Gabi sagt, ich wäre aber auch ein furchteinflößender Anblick gewesen, mit meiner blutbespritzten Brille und den ebenfalls blutverschmierten, zum Kampf erhobenen Fäusten. Es handelte sich dabei allein um Ingos Blut, ich hatte nicht den leisesten Kratzer, nur blaue Flecken, aber die entdeckte ich erst ein paar Tage später.
    Martin rannte ins Haus, um Tante Gerti zu holen.
    Tante Gerti und all die anderen Tanten waren fassungslos, als sie den armen Ingo im Sandkasten fanden, wo er liegen geblieben war und vor sich hin wimmerte.
    Kati, Gabi und ich hatten den richtigen Monchichi aus
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