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Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3

Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3

Titel: Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3
Autoren: Kerstin Gier
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namens Kati fing an zu weinen, weil sie von ihren fünf Monchichis (so hießen die Plüschaffen mit Plastikgesicht, die damals in Mode waren) vier abgeben musste, aber alle gleich lieb hatte.
    Ein Junge, der Martin hieß und auf eine nicht näher definierte Weise mit Tante Gerti verwandt war, sagte »doofe Heulsuse« zu Kati.
    Tante Gerti sagte: »Heulsusen bekommen keinen Nachtisch.«
    »Tante Gerti ist gemein«, sagte ich zu Gabi.
    Gabi zuckte mit den Schultern. »Man gewöhnt sich an sie. Aufpassen musst du bei Tante Theresa, das ist die Blonde. Die ist manchmal wirklich gemein. Und Tante Anke, die hält immer zu den Jungs. Nett war Tante Helga, aber die ist nicht mehr da.«
    Nett war eigentlich auch Tante Mareike, die uns unsere Zimmer zeigte und der kleinen Kati versicherte, dass es ihre vier Monchichis im Büro von Tante Gerti ganz gemütlich hätten, bis sie wieder mit Kati nach Hause dürften.
    Das allerdings war noch lange hin. Ich sah mich schockiert um. Das also war der Schlafsaal, den ich jeden Abend in meine Gebete eingeschlossen hatte?
    Die Etagenbetten waren aus Eisenrohr, dazu gab es schmale Spinde, die man sich mit einem anderen Kind teilen musste, mit solch winzigen Fächern, dass klar war, warum jeder nur sieben Unterhosen hatte mitbringen dürfen. Der Raum war an Kargheit und Tristesse nicht zu überbieten.
    Obwohl Gabi mich oben schlafen ließ, überfiel mich das Heimweh mit aller Macht, dazu die schmerzhafte Erkenntnis, dass einen nicht jeder Wunsch, der in Erfüllung geht, glücklich macht. Ich war definitiv reingelegt worden. Nichts, aber auch gar nichts in diesem Ferienheim war besser als zu Hause, nicht mal als bei Gabi zu Hause. Und nichts war auch nur annähernd so wie bei Hanni und Nanni. Wenn ich eins wusste, dann, dass im Internat von Hanni und Nanni die Matratzen ganz bestimmt nicht nach Schweißfüßen rochen.
    »Da kann ich aber nichts dafür«, sagte Gabi, als ich mich bei ihr beschwerte. »Du wolltest doch unbedingt mit.«
    »Ja, wegen der Pupskissen und der Mitternachtspartys«, sagte ich. Tante Gerti hatte die für die Partys bestimmten Schokoladentaler und den Orangensaft selbstverständlich beschlagnahmt.
    Gabi gab dann auch zu, dass es nie Mitternachtspartysgegeben hatte. Und auch keine Spukabenteuer bei den Jungs. Die Tür, die den Jungentrakt vom Mädchentrakt trennte, wurde nämlich jeden Abend abgeschlossen.
    »Aber warum hast du das gemacht?«, fragte ich.
    »Weil ich dachte, wenn du mitkommst, haben wir bestimmt Spaß«, sagte Gabi kleinlaut. Sie schenkte mir eins von den Bonbons, die sie in ihrer Hosentasche an der Kontrolle vorbeigeschmuggelt hatte, aber ich war trotzdem noch sauer auf sie.
    Beim Abendessen weinte die kleine Kati mit den Monchichis immer noch oder schon wieder, und Tante Gerti machte ihre Drohung wahr und gab Kati keinen Nachtisch. Zur Hauptspeise hatte es einen Matschepamp aus Linsen, Suppengrün und fettigem Fleisch gegeben, das aussah wie schon einmal gegessen und leider auch so schmeckte. Bei jedem Bissen hatte ich würgen müssen, und obwohl der Vanillepudding auch keine kulinarische Köstlichkeit darstellte, so nahm er doch zumindest den widerlichen Matschepamp-Geschmack von der Zunge. Kati tat mir leid, deshalb schlug ich vor, den Nachtisch mit ihr zu teilen. Aber gerade als sie den Löffel in meinen Pudding steckte, rief dieser gemeine Martin vom Nachbartisch: »Tante Gerti, die Heulsuse isst doch Nachtisch.«
    Da kam Tante Gerti und nahm Kati und mir den Pudding weg.
    Kati weinte wieder.
    »Haben meine Eltern schon angerufen?«, fragte ich Tante Gerti. Meine Mutter hatte mir versprochen, jeden Abend anzurufen und zu fragen, wie es mir denn ginge. Natürlich hatte ich nicht gedacht, dass ich mich über ihren Anruffreuen würde, aber jetzt wusste ich es besser. Ich wollte wieder nach Hause, sofort und auf der Stelle. Auch wenn meine Mutter sagen würde: »Ich habe es dir doch gleich gesagt. So ein Ferienheim ist nichts für dich.«
    Aber Tante Gerti sagte: »Telefongespräche sind nicht erwünscht. Die Kinder sollen ihren Eltern doch auch mal Zeit geben, sich von ihnen zu erholen.«
    Da fing auch ich an zu weinen, und Martin rief: »Die Brillenschlange ist auch noch eine Heulsuse! Na, das kann ja heiter werden.«
    Na, und das wurde es auch.
    Später erfuhr ich, dass meine Eltern wirklich jeden Abend bei Tante Gerti anriefen, und jeden Abend behauptete Tante Gerti, ich hätte einen Heidenspaß, lebte mich gut ein und hätte schon ganz frische
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