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Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3

Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3

Titel: Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3
Autoren: Kerstin Gier
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sie nur eingeschlafen«, sagte Tante Hannelore.
    »Vielleicht spielt sie Verstecken«, sagte meine Schwester.
    »Vielleicht ist sie gestürzt und verletzt!«, sagte meine Mutter.
    »Vielleicht ist sie auch tot«, schlug Helena fröhlich vor.
    »Vielleicht kann sie aber auch nur den Schlüssel nicht wieder herumdrehen«, flüsterte ich.
    »Wir müssen die Tür einschlagen«, sagte mein Vater.
    »Wir lassen einen Schlosser kommen«, sagte Onkel Hermann. Aber so lange wollte meine Mutter nicht warten. Sie kletterte auf abenteuerlichem Weg über zwei vereiste Vordächer und einen Balkon auf die Fensterbank zu meinem Zimmer. Ich staunte nicht schlecht, als sie mich durch die Glasscheibe anschaute. Sie staunte auch nicht schlecht, dass ich weder versteckt, noch eingeschlafen, noch verletzt, noch tot war. Und dummerweise ließ sich der Schlüssel von ihr dann auch problemlos im Schloss drehen.
    Ich gebe zu, dass ich auch heute noch öfter mal einen auf Mürren mache, um mein Gesicht nicht zu verlieren. Zum Beispiel, wenn ich nicht rechtzeitig mit einem Manuskript fertig werde. Oder wenn auf einem Elternabend nach einem freiwilligen Protokollführer gesucht wird.
    Nur bei meiner Mutter stelle ich mich niemals tot. Sie würde nämlich genau wie damals über vereiste Vordächer angeklettert kommen, um nach dem Rechten zu sehen.
    Anders als meine Nichten und Neffen, die sozusagen von Geburt an mit unseren Parabeln gefüttert wurden, hatmein Mann Frank noch Schwierigkeiten mit unserer Art der Kommunikation. Auch wenn er sich redlich bemüht, den Jargon korrekt zu benutzen.
    Neulich kam meine Mutter zur Tür herein und fragte: »Hast du noch das Dings, was dir die Dings mal geschenkt hat, zum Dingsmachen?«
    »Wie bitte?«, fragte Frank. »Ähm – denk an Riva?«
    »Nein, Riva sagt man nicht in diesem Zusammenhang«, wies ich ihn zurecht. »Meine Mutter meint das Raclette-Gerät, das uns Tante Karla zur Hochzeit geschenkt hat. Ja, das haben wir noch.«
    »Dann musst du es mir leihen«, sagte meine Mutter. »Meins ist nämlich kaputt.«
    Frank sagte: »Ich wusste gar nicht, dass ich mit einer Telepathin verheiratet bin.«
    »Jaha«, sagte ich. »Pass bloß auf, was du denkst.«
    Am gleichen Abend wühlte er im Keller herum, und ich hörte ihn fluchen. Und fluchen. Und fluchen.
    »Was ist denn los?«, fragte ich schließlich.
    »Ah, gut, endlich machst du keinen mehr auf Mürren und kümmerst dich mal um mich«, sagte Frank. »Ich suche schon seit einer Viertelstunde das Dings, mit dem ich den Dings von dem Dings dingsen könnte, um endlich die neuen Dings einzulegen!« Er sah mich erwartungsvoll an. »Weißt du vielleicht, wo es ist, oder denkst du an Riva?«
    »Vergiss es«, sagte ich. »Das mit der Telepathie und den Parabeln funktioniert nur, wenn man sich länger als dreißig Jahre kennt. Du hast es einfach noch nicht raus.«
    »Ist doch sowieso totaler Blödsinn!«, sagte Frank. »Wenn deine Schwester in Riva auf der Straße Arschloch gebrüllthat, wieso soll ich dann an Riva denken, wenn ich mit meinem Chef über eine Gehaltserhöhung diskutiere?«
    »Tja, in zwanzig Jahren verstehst du’s«, sagte ich. »Dann haben wir vielleicht sogar schon wieder ein paar neue, eigene Parabeln entwickelt.«
    »Nein, ich glaube nicht, dass ich dabei mitmache«, sagte Frank. »Das ist nur was für Leute mit einem Hang zum Irrsinn.«
    »Blödsinn, so etwas gibt es in jeder Familie«, sagte ich.
    »In unserer nicht«, sagte Frank. »Ich habe meinem Bruder auf Ischia mal die Luftmatratze aufgeschlitzt. Aber deshalb sagt bei uns trotzdem keiner Denk an Ischia, wenn er schwimmen geht.«
    Ich schüttelte mitleidig den Kopf. So was Begriffsstutziges aber auch.
    »Ich liebe dich trotzdem«, sagte ich zärtlich.
    »Ach, halt den Bademantel!«, sagte Frank.

Mein schönstes Ferienerlebnis
oder wozu Eisenmangel bei Kindern führen kann
    Als ich im dritten Schuljahr war, schwärmte mir meine damals beste Freundin Gabi von dem Ferienheim vor, in das sie jeden Sommer fuhr. Es ging dort haargenau so zu wie in den Hanni-und-Nanni-Büchern, die ich nicht lesen durfte, aber trotzdem las: Es gab Etagenbetten, echte Freundschaft, Mitternachtspartys und lustige Streiche. Ich wollte zu gern auch einmal dorthin.
    Aber meine Eltern hatten schon andere Pläne für die Sommerferien. Außerdem verbanden sie mit dem Wort »Ferienheim« klischeehafte Horrorgeschichten von grausamen Erzieherinnen und ekelhaftem Großküchenfraß.
    »So ein fürchterliches Ferienheim
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