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Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3

Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3

Titel: Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3
Autoren: Kerstin Gier
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Kinder mit seinen Berichten über Afrika zu faszinieren. Ob er wirklich gebratenes Affenhirn gegessen hat, während er meiner Oma einen Heiratsantrag machte, spielt dabei keine Rolle. Es ist einfach eine wunderbare, romantische Geschichte.
    Und wir brauchen solche wunderbaren, romantischen und auch aufregenden Geschichten. Wie viel besser können wir selber Wunderbares, Romantisches und Aufregendes erleben, wenn wir wissen, dass das sozusagen in der Familie liegt!
    Wenn mein Sohn mich irgendwann mal fragt, wie sein Vater mir einen Heiratsantrag gemacht hat, möchte ich nicht sagen müssen: »Ach weißt du, Schatz, das war oben im Badezimmer. Ich habe mir gerade die Zähne geputzt, und dein Vater hat sich die Fußnägel geschnitten. Dabei hat er gesagt: Ich glaube, es wäre klug, in diesem Jahr noch zu heiraten .« Die Enttäuschung wäre doch wohl vorprogrammiert.
    Stattdessen werde ich sagen: »Das war auf Sardinien, an der Costa Paradiso. Dein Vater ruderte bei Sonnenuntergang mit mir aufs Meer hinaus, und dort überreichte er mir einen Ring und fragte, ob ich seine Frau werden wolle. Genau in dem Augenblick, in dem ich »Ja« sagte und dein Vater mir den Ring auf den Finger steckte, sprang ein Delphin neben uns aus dem Wasser. Er war höchstens zwei Meter vom Boot entfernt, und er lächelte uns an, bevor er wieder in den Wellen verschwand.«
    Das ist eine Geschichte, die man seinen Kindern getrost erzählen kann.
    Es geht hierbei nicht um gezielte Lügen, sondern um dramaturgische und inhaltliche Verbesserungen des tatsächlich Erlebten. Mein Vater zum Beispiel ist auf den Philippinen tatsächlich mal mit einem Katamaran gekentert, aber ob das nun wirklich so weit weg von der Küste und ausgerechnet in einem von Haien verseuchten Meeresabschnitt passiert ist, könnte ein Wahrheitsfanatiker anzweifeln. Auch dass die beiden einheimischen Skipper nicht schwimmen konnten, erscheint ein wenig übertrieben. Aber gute Geschichten leben eben auch vom Zusammentreffen seltsamer Zufälle. Wenn man schon ein Abenteuer überlebt, dann darf es ruhig um Haaresbreite geschehen.
    Und natürlich muss man das Potenzial einer Geschichte richtig einzuschätzen wissen. Manchmal macht sie nämlich auf den ersten Blick gar nicht viel her.
    Ausgerechnet in unserem Wanderurlaub im Tessin bekam Frank so schlimme Rückenschmerzen, dass er sich hinlegte und nicht mehr aufstehen konnte. Aus Erfahrung wusste ich, dass ihm in diesem Fall nur mit einer massiven Wärmebehandlung geholfen werden konnte, und deshalb ging ich zu unserer Zimmerwirtin und lieh mir von ihr ein Bügeleisen aus. Kombiniert mit Kompressen aus feuchten Handtüchern ist die Bügeleisenmethode wirkungsvoller als jede Wärmflasche oder ein ABC-Pflaster, vorausgesetzt, man lässt die entsprechende Vorsicht walten. Natürlich konnte die Zimmerwirtin nicht ahnen, wozu ich das Bügeleisen brauchte. Sie vermutete, dass ich ein Hemd damit bügeln wollte, und als sie in unser Zimmer platzte, um mir anzubieten,dazu doch auch ihr Bügelbrett zu benutzen, blieb ihr der Mund offen stehen.
    Der Anblick, wie ich mich über meinen am Boden liegenden Mann beugte und ihm das dampfende Bügeleisen auf den Rücken drückte, mag für einen Außenstehenden möglicherweise tatsächlich ein wenig befremdlich gewirkt haben. Aber anstatt sich unsere Erklärungen anzuhören, rannte die Wirtin mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen aus dem Zimmer, wobei sie sich mehrfach bekreuzigte. Für den Rest unseres Aufenthaltes vermied sie es konsequent, uns ins Gesicht zu schauen.
    An den seltsamen Blicken der anderen Pensionsgäste erkannte ich, dass sich die Tatsache, dass ich meinen Mann gebügelt hatte, herumgesprochen haben musste. Sie guckten irgendwie alle merkwürdig.
    Frank, der dank der Bügeleisenbehandlung wieder völlig schmerzfrei herumspazierte, meinte zunächst, das bilde ich mir nur ein. Aber dann hörte auch er, wie der Mann am Nachbartisch seiner Freundin zuflüsterte: »Das ist das Sado-Maso-Ehepaar, von dem ich dir erzählt habe. Sie treiben es mit einem Bügeleisen .«
    Überflüssig zu sagen, dass wir diesen Ort niemals wieder besucht haben. Aber immerhin haben wir jetzt etwas, wovon wir unseren Enkelkindern noch erzählen können.

Über die Autorin:
     
    Kerstin Gier hat als mehr oder weniger arbeitslose Diplompädagogin 1995 mit dem Schreiben von Frauenromanen begonnen. Mit Erfolg: Ihr Erstling Männer und andere Katastrophen wurde mit Heike Makatsch in der Hauptrolle verfilmt, und
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