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Das Jahr auf dem Lande

Das Jahr auf dem Lande

Titel: Das Jahr auf dem Lande
Autoren: Mary Scott
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    S o geht das nicht weiter!« rief Adrian Medway und warf die Zeitung auf den Boden. »Ich muß endlich weg von hier!«
    »Ja, Liebling«, antwortete seine Frau automatisch und überlegte, daß sie das schon seit fünf Jahren sagte, seit er seine Arbeit als Leitartikler aufgegeben hatte. Damals hatte er seinen Vater beerbt, seine ersten beiden Romane waren erfolgreich gewesen, und deshalb hatte er es sich leisten können, freier Schriftsteller zu werden. Und nun saß er Tag für Tag an seiner Schreibmaschine und tippte jene amüsanten Bücher, die das Leserpublikum liebte — und kaufte. Andauernd versicherte Adrian, daß es so nicht weitergehen könne (seltsam, daß ausgerechnet er auf dieses Klischee verfallen war, wo er doch sonst Klischees verabscheute), und dabei war es stets geblieben. Es gab keinen Grund zu der Annahme, daß es diesmal anders sein würde, trotz dieser arroganten, gönnerhaften Kritik.
    »Du weißt doch, daß die Kritiken nicht so wichtig sind«, sagte sie. »Hauptsache, deine Bücher verkaufen sich gut.«
    »Christine!« schrie er so laut, daß sie verwirrt von ihrer Näharbeit aufsah. »Wir sind nun siebenundzwanzig Jahre lang verheiratet...«
    »Über ein Vierteljahrhundert«, sagte sie. So drückte sie es immer aus, wenn Adrian in dieser Stimmung war. In solchen Augenblicken kam ihre Ehe ihr viel, viel länger vor als ein Vierteljahrhundert.
    »Siebenundzwanzig Jahre lang! Und jedesmal, wenn ich dir einen Vorschlag mache, hast du nichts weiter zu sagen als >Ja, Liebling    »Ja, Lieb... Ich meine — welchen Vorschlag wolltest du denn machen?« Nun klang ihre Stimme doch ein wenig erschrocken.
    »Das hast du doch gehört. Nun, wo wir Onkel Joseph beerbt haben, können wir endlich von hier verschwinden. Wir verkaufen dieses Haus, gehen in die Wildnis und versuchen, unsere Seelen wiederzufinden.«
    Das war neu. Eine Wildnis hatte er noch nie vorgeschlagen. Diese verdammte Erbschaft!
    »Und wo willst du eine Wildnis finden?« fragte sie sanft und hoffte, daß er nicht womöglich nach Australien oder in die Sahara gehen wollte. Das wollte sie nicht. Es würde ihr unendlich schwer fallen, die »Kinder« zu verlassen, die zweiundzwanzigjährige Josephine und den vier Jahre älteren Robert. Ihr Sohn arbeitete auf einer Farm im Süden, und Josephine redete immer wieder davon, daß sie sich eine Karriere aufbauen wolle, tat aber nicht viel dafür. Immerhin lebten sie alle im selben Land. Und so fragte sie mit einer gewissen Angst: »Wo willst du eine Wildnis finden?« Denn jetzt, wo er Onkel Joseph beerbt hatte, könnte es ihm tatsächlich einfallen, aktiv zu werden und sich nicht nur mit leeren Worten zu begnügen.
    Er hatte die impertinente Zeitung in den Papierkorb gestopft und sprach nun mit ruhigerer Stimme. »Es gibt Orte«, sagte er vage, »sogar in diesem kleinen Land, wo man sich vor dieser schrecklichen Menschenmenge verstecken kann.«
    »Nicht mehr viele«, entgegnete sie in ihrer praktischen Art. »Nachdem wir Autobahnen und elektrischen Strom und ein Telefonnetz haben...«
    Aber er hörte ihr nicht zu. Er sprach mit sich selbst, wie immer, wenn er einen aufregenden Gedanken verfolgte.
    »Ein Haus an einem Fluß, mit Gebüsch am anderen Ufer. Kein anderes Haus in Sichtweite. Eine schmale Lehmstraße, die sich durch die Büsche windet. Vogelgezwitscher, ausgedehnte Wiesen...«
    »...die jemand mähen müßte«, unterbrach sie ihn verzweifelt. »Eine Lehmstraße, auf der man im Winter knöcheltief im Schlamm einsinkt! Ja, solche Orte gibt es noch. Aber die Regierung sorgt glücklicherweise dafür, daß auch die entlegensten Landstraßen geteert werden, daß die Leute auch an einsamen Orten wie zivilisierte Menschen leben können.«
    Das war ein Fehler gewesen. Jedesmal, wenn die Regierung erwähnt wurde, mußte er an die Einkommenssteuer denken, und er stieß einen frustrierten Seufzer aus, als er an die Bilanz dachte, die ihm sein Steuerberater letzte Woche geschickt hatte. Er bedachte die Regierungsmitglieder mit einigen rüden Schimpfworten, die seine ältliche weibliche Leserschaft in Erstaunen versetzt hätten, wo die Damen doch behaupteten, Mr. Medway sei der einzige Schriftsteller, der niemals garstige Wörter benutze. Christine zuckte nicht zusammen. Sie hatte das alles schon oft genug gehört, jedesmal, wenn er sich über schlechte Kritiken oder einen Streit mit seinem Verleger ärgerte. Sie fragte nur: »Möchtest du noch Kaffee, Liebling?«
    Das beruhigte ihn
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