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Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3

Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3

Titel: Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3
Autoren: Kerstin Gier
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trotzdem ein guter Mensch sein«, gab mein Vater zu bedenken.
    Meine Mutter hielt das für ausgeschlossen. »Euch können sie vielleicht weich klopfen, aber ich lasse mich nicht täuschen«, sagte sie. Die nächsten Einladungen bei den Kahls umging sie zu unserer großen Enttäuschung mit lahmen Ausreden, täuschte Elternabende, Verwandtschaftsbesuche, Goldene Hochzeiten und Kinderkrankheiten vor, um sich nicht mit den Robbenbabymördern unter einem Dach aufhalten zu müssen.
    Aber Dr. Kahl ließ nicht locker. Er wollte meinen Vater als Freund nicht verlieren. Und er wollte ihn unbedingt als Vertriebsleiter für ACTI haben.
    Als letzten Trumpf zog er schließlich seine Villa in der Toskana aus dem Ärmel.
    »Ein altes Gutshaus aus dem 17. Jahrhundert, traumhaft renoviert«, sagte mein Vater. »In den Hügeln, eine halbe Stunde nördlich von Florenz, mit weitem Blick über die Landschaft.«
    Zum ersten Mal schwankte meine Mutter.
    Ein Urlaub in Italien war schon als solcher sehr verführerisch, dazu kam, dass unsere Sommerferienpläne kurzfristig geplatzt waren. Die Wirtin der Pension, in der wir Zimmer gebucht hatten, war gestorben und die Pension für den Sommer geschlossen worden. Verglichen mit Wanderurlaub im Kleinwalsertal erschien meiner Schwesterund mir eine Poolvilla im Süden wie ein Hauptgewinn im Lotto.
    Und meine Mutter träumte schon länger von Florenz.
    »Aber es geht nicht«, seufzte sie. »Sonst fühlt euer Vater sich Dr. Ozelot am Ende noch verpflichtet.«
    »Aber nein!«, sagte mein Vater. »Dr. Kahl und ich sind nur Freunde, weiter nichts. Wenn ich ein Ferienhaus hätte, dürfte er dort auch umsonst wohnen.«
    Meine Mutter erwog das Für und Wider.
    »Und wenn wir doch etwas zahlen?«, schlug sie schließlich vor. »Es reicht ja, wenn er uns einen Sonderpreis macht.«
    Davon wollte Dr. Kahl zunächst nichts hören, aber schließlich verstand er, dass es eine Frage der Ehre war und stellte meinem Vater zehn Mark pro Person und Tag in Rechnung. Das war immer noch sensationell günstig für eine Villa mit acht Schlafzimmern, einem Tennisplatz und einem Pool, aber damit konnte meine Mutter ihr Gesicht wahren und über ihren Schatten springen.
    Mein Vater musste ihr außerdem beim Leben seiner Mutter schwören, dass der Sonderpreis kein Grund war, sich bei Dr. Kahl und ACTI als Vertriebsleiter zu verpflichten. Dann erst durften wir uns auf den Urlaub freuen. Und das taten wir.
    Auch meine Mutter freute sich, obwohl sie immer noch einen Haken hinter der ganzen Sache vermutete. Sie hatte sich einen Reiseführer über die Toskana gekauft und erzählte uns auf der Fahrt alles Mögliche über die Medici und warum der Schiefe Turm von Pisa schief war. Sie konnte es gar nicht abwarten, endlich die Uffizien zu sehen. MeineSchwester und ich konnten es nicht abwarten, uns in den Pool zu stürzen. Und mein Vater freute sich auf den Tennisplatz. Dr. Kahl hatte meinem Vater Fotos von der Villa mitgegeben, und was man auf diesen Fotos sehen konnte, übertraf unsere kühnsten Erwartungen.
    »Es könnte höchstens noch in den Zimmern böse Überraschungen geben«, sagte meine Mutter, als wir fast da waren. »Mit echtem Ozelot überzogene Sessel oder Bettüberwürfe aus Silberfuchs.«
    »Das tun wir dann einfach alles so lange in die Garage«, sagte mein Vater. »Und jetzt hör auf, nach dem Haken an der Sache zu suchen – es gibt nämlich keinen.«
    Als wir die Kieseinfahrt zu dem in der Abendsonne leuchtenden, prächtigen Anwesen hinauffuhren, sahen wir aber sofort, dass es doch einen Haken gab. Er kam uns in Gestalt der Familie Kahl höchstpersönlich entgegengelaufen. Dr. Kahl, Frau Kahl und die noch fülliger gewordene Sabine strahlten über das ganze Gesicht.
    Dr. Kahl umarmte meinen verblüfften Vater, seine Frau küsste meine versteinerte Mutter auf beide Wangen. »Do seud öhr jo öndlöch! Hörzlöch Wöllkommön ön dör Völlo Onnöttö!«
    Die Villa Onöttö – auf Hochdeutsch: Annette – war das allerschönste Haus, das ich bis dahin jemals betreten hatte. Ein Haus ohne jeden Makel – wenn man mal von der Anwesenheit der Kahls absah. Dr. Kahl hatte vergessen, meinem Vater zu sagen, dass er und seine Familie in der gleichen Zeit dort Urlaub machen wollten. Vielleicht hatte er es auch nicht vergessen, sondern als selbstverständlich vorausgesetzt.
    Meine Mutter wollte sofort wieder abreisen, aber das hätte wirklich sehr unhöflich ausgesehen. Zumal die Villa Annette reichlich Platz für beide Familien
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