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Abschied braucht Zeit

Abschied braucht Zeit

Titel: Abschied braucht Zeit
Autoren: H Christof Mueller-Busch
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sollen die Kommunikation über diese Fragen und Probleme aus unterschiedlicher Perspektive erleichtern. Ein wichtiger Aspekt sind die existentiellen Fragen, die Menschen in der Vorphase des Sterbens auf ganz unterschiedliche Weise beschäftigen, z.B. die Frage eines guten, würdigen Sterbens, die Bedeutung von Nahtoderfahrungen, Hoffnung, Trauer und Ritualen. Ganz bewusst wurde auch ein Kapitel zum Humor eingefügt. Das mag manchem zunächst befremdlich erscheinen, aber auch in der Nähe des Todes gibt es viel zu lachen. Mit skizzenhaft eingefügten Anekdoten, Zitaten und Kommentaren möchte ich zudem ein empathisches Verstehen ermöglichen.
    Das vorliegende Buch soll jedoch weder ein Lehrbuch sein, noch erhebt es den Anspruch, alle Aspekte zu behandeln, die aus der Sicht sterbenskranker Menschen und in deren Betreuung wichtig sind. Es wendet sich an Angehörige und Begleiterschwerstkranker Menschen, aber auch an Studierende und Pflegende, die sich vielleicht zum ersten Mal mit einer Sterbesituation professionell konfrontiert sehen. Ich selbst habe es immer als besonderes Geschenk empfunden, in dieser so bedeutenden Phase des menschlichen Lebens mit einbezogen zu sein. Dies weiterzugeben ist mir ein wichtiges Anliegen. Insofern ist dieses Buch für alle gedacht, die sich – aus welchen Gründen auch immer – mit dem Thema Palliativmedizin näher beschäftigen möchten oder vielleicht auch aus persönlicher Betroffenheit beschäftigen müssen.
    Berlin, im Mai 2012
    H. Christof Müller-Busch

Kapitel 3

Tötung auf Verlangen, ärztliche Beihilfe zum Suizid und Palliativmedizin – eine medizinische und ethische Herausforderung
    Selten im Verlauf meiner ärztlichen Tätigkeit wurde das »Töten auf Verlangen« so flehentlich und so verzweifelt gefordert wie von Frau L. Seit einem Jahr litt die 53-jährige Tierärztin an einem fortgeschrittenen Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Leberversagen. »Ich weiß, wie es um mich steht«, sagte sie angesichts ihrer gelb gefärbten Haut, der Übelkeit, der Atemnot, der Schmerzen und des durch viel Flüssigkeit aufgeblähten Bauches, mit dem sie auf der Palliativstation aufgenommen wurde – »aber ich will es einfach nicht fassen, dass auch ich so früh, so jämmerlich sterben soll.« Vor einigen Jahren hatte sie das lange, quälende Sterben ihrer Mutter begleitet.
    Frau L. liebte Tiere, und mit dem Studium der Tiermedizin hatte sie sich einen Kindheitstraum erfüllt. Ihr Lebenspartner, ein Optiker, mit dem sie in wechselnder Harmonie zusammenlebte, hatte ihr versprochen, sie bis zuletzt zu begleiten. Nach langem Zögern und obwohl sie in ihrer Patientenverfügung alle lebensverlängernden Maßnahmen abgelehnt hatte, willigte sie in eine palliative endoskopische Gallengangserweiterung ein, ein kleiner operativer Eingriff, der ihr nochmals Linderung und eine kurze Verlängerung der Lebenszeit bringen sollte. In den letzten Wochen hatte sie immer wieder daran gedacht, ihr Lebenmit einer Überdosis starker Schlafmittel zu beenden, einen würdigen Tod ohne lange Qualen zu finden, wie bei den geliebten Tieren, deren Sterben sie – wenn es notwendig war – so zu erleichtern suchte. Und doch wollte sie noch an einem Fest teilnehmen, das ihre Chefin auch ihr zu Ehren am Wochenende geplant hatte. Nur wenige Tage leben, dachte sie. Die Nacht nach dem endoskopischen Versuch, den Galleabfluss der gestauten Leber zu ermöglichen, war von heftigen Krämpfen geprägt und so unerträglich, dass sie nur noch sterben, erlöst werden wollte. »Bitte helft mir doch in den Tod«, bettelte sie. »Bitte besorg mir meine Barbiturate«, flehte sie ihren Partner an, »damit ich endlich zum Ende komme – warum darf ich nicht sterben, wie auch Tiere sterben dürfen?« Wir waren verlegen und hilflos. »Wie ausgeliefert ist man doch im Sterben«, klagte sie. »Was ist denn Würde, wenn das Leben so unerträglich geworden ist und der Tod so nah und doch nicht kommt?« Ihr Partner forderte, nun endlich ihren Sterbewunsch zu respektieren, sonst würde er handeln, so, wie er es seiner Frau versprochen hatte. Unter solchen Bedingungen eine palliative Sedierung zu beginnen, stellt nicht nur eine Herausforderung an die Möglichkeiten einer fachgerechten medikamentösen Anxiolyse dar, sondern berührt auch ethische Grenzen, weswegen wir sehr genau die Ziele, aber auch die spirituellen und emotionalen Grundlagen und Dimensionen unseres Handelns hinterfragen müssen. Schließlich gelang es mit Opiaten und einer gezielt
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