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Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu
Autoren: Esther Verhoef
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denen man persönlich fasziniert ist. Häuser, die man zwar nie ganz besitzt, aber vorübergehend bewohnen darf. Häuser, die man schätzen, unterhalten, restaurieren und für die Nachfahren bewahren muss. Zur Belohnung schenken sie einem ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, weil man Teil ihrer langen Geschichte werden darf.
    Beide, Vater und Großvater, leben inzwischen nicht mehr. Sie liegen auf dem Friedhof am Rande der Stadt, wo ich sie viel zu selten besuche. Ihr Wesen ist jedoch untrennbar mit diesem Gebäude verbunden. Das spüre ich, in jeder Sekunde, die ich mich hier aufhalte. Ihre Porträts gehören daher nirgendwo anders hin als hierher, in die Peperstraat Nummer sieben, an einen Ort, wo sie niemand übersehen kann und darf.
    Eigentlich müsste ich stolz darauf sein, ein van Santfoort zu sein. Meistens bin ich das auch. Aber in den letzten Jahren scheinen mich meine Vorväter nicht mehr ermutigend anzublicken, sondern eher vorwurfsvoll.
    Und dazu haben sie allen Grund. Ich weiß nur nicht, wie ich etwas daran ändern soll.

5
    »Sag mal, Schatz, hast du eigentlich schon fürs Wochenende eingekauft? Du hast gar nichts mehr dazu gesagt.«
    Ich blicke verstört auf. »Für das Wochenende? Wieso?«
    »Jetzt sag bloß nicht, du hast es vergessen!«
    Ich sperre den Mund auf und klappe ihn wieder zu. Ich habe keine Ahnung, wovon Harald redet.
    Harald blickt mich schweigend an. Sogar ein wenig vorwurfsvoll.
    Ich schlage die Hand vor den Mund. »O nein! Ich hab’s total vergessen. Wie dumm von mir – wer ist denn alles eingeladen?«
    »Anton und Robertjan mit ihren Frauen, einige Mitarbeiter der Bank und der Gemeinde. Und dazu ein paar gute Kunden.«
    »Wie viele insgesamt?«
    Harald faltet die Zeitung zusammen und legt sie an den Rand des Tisches. »Rechne mal mit ungefähr achtzehn Leuten, dann bist du auf der sicheren Seite. Nur Dennis van Gelder, den Beigeordneten im Stadtplanungsamt, habe ich noch nicht erreicht.«
    »Zwanzig Gäste also«, sage ich leise und spüre, wie ein enormer Widerwille in mir aufsteigt. Es ist Donnerstagabend, was bedeutet, dass ich mich morgen um alles kümmern muss. Normalerweise ist das kein Problem: Harald lädt öfter Leute zu uns nach Hause ein, das gehört zu seinem Beruf, und ich weiß, wie wichtig diese sozialen Verpflichtungen sind. Aber das ist nicht der richtige Zeitpunkt, die perfekte Gastgeberin für eine Meute humorloser Gemeindemitarbeiter und Bankangestellter zu spielen. Ich weiß nicht, ob ich das im Moment kann.
    »Eigentlich wollte ich morgen zu meiner Mutter fahren«, erwidere ich.
    »Aber die läuft dir doch nicht weg.«
    Ich schließe die Klappe der Spülmaschine und drücke den Startknopf. Die Maschine fängt sofort an, Wasser zu schlürfen. Gedämpft dringen die Geräusche hinter der dicken Tür aus gebürstetem Stahl hervor. »Harald, bitte, es passt mir nicht so gut an diesem Wochenende. Könntest du es nicht auf nächsten Monat verschieben?«
    »Das halte ich nicht für sinnvoll. Das Wetter soll gut werden, und um diese Zeit ist der Garten am schönsten. Nächsten Monat ist alles verblüht, dann sieht es hier schon wieder ganz anders aus.« Er zieht eine andere Zeitung zu sich hin und schlägt sie auf. »Außerdem muss ich mich um die Baugenehmigung kümmern. Guido hat angerufen, er hofft, nächste Woche mit den Zeichnungen fertig zu werden. Ich kann nicht früh genug damit anfangen, die Leute von der Stadt zu bearbeiten.«
    »Ich habe es ihr aber versprochen. Sie erwartet mich.«
    Harald lässt die Augen nicht von seiner Zeitung. »Bei diesem ganzen Fest geht es praktisch nur um deine Mutter und um diese verdammte Genehmigung. Sie soll sich mal vor Augen führen, was wir hier alles für sie tun.«
    »Aber Harald, sie weiß es doch noch nicht mal, wir haben es ihr noch gar nicht erzählt, hast du das vergessen?« Ich muss mich zusammenreißen, um nicht mit den Tellern um mich zu werfen und hysterisch zu kreischen.
    Die praktische Seite des Gartenfestes bereitet mir nicht die geringsten Probleme: Essen und die Getränke kann ich bei einem Partyservice bestellen. Auf diese Weise kann ich morgen trotzdem meine Mutter besuchen und habe noch den ganzen Samstag, um alles andere zu organisieren.
    Aber damit ist es nicht getan. Man erwartet von mir, dass ich mich unter die Gäste mische, Unterhaltungen in Gang halte und dafür sorge, dass sich alle amüsieren und mit einem guten, zufriedenen Gefühl nach Hause gehen. »Die Van-Santfoort-Flagge zeigen«, nennt
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