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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Autoren: Robert Gordian
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einem Jahr bin ich Herzog, schon von den Bayern als Nachfolger meines Vaters erwählt!‘ Ich: ‚Darüber entscheiden nicht die Bayern, darüber entscheidet der König, der die hohen Ämter vergibt!‘ ‚Nicht bei uns!‘ schreit er. Ich: ‚Das werden wir sehen!‘ Da fällt ihm nichts mehr ein, er schweigt tückisch. Auch seine Brüder glotzen feindselig. Sie wünschen mich alle zum Teufel, drei Todfeinde mehr. Wir werden uns wohl bald woanders begegnen … vielleicht auf der Walstatt. Reichsrecht vor Landesrecht – das muss ich – das werde ich durchsetzen!“
    Otto kniff die Augen zusammen und starrte hinüber zu den Bayern. Edgith legte beruhigend ihre Hand auf die seine.
    „Aber du darfst nicht alles auf einmal wollen! Du darfst sie nicht vor den Kopf stoßen! Wenn du von Anfang an übertreibst, wirst du alles verderben!“
    |15| Der König wollte etwas erwidern, doch im selben Augenblick spürte er eine Berührung und sah eine behaarte Hand auf seiner Schulter. Er fuhr herum und blickte in ein zerfurchtes, von einer Hiebnarbe entstelltes Gesicht, das zu einem kahlen, vogelartigen Kopf gehörte.
    „Was willst du, Onkel Wichmann?“
    „Oh, nichts Besonderes“, kam es mit einer Weinfahne aus dem fast zahnlosen Mund. „Die Männer sagten mir, hehe, kümmere dich mal um unseren König, wenn er sich schon nicht um uns kümmert. Und um unsere schöne, traurige Königin!“
    „Aber Onkel Wichmann, ich bin doch nicht traurig!“, sagte Edgith.
    „Dann bin ich beruhigt, mein Kind.“
    Der alte Kriegsmann trat hinter ihren Stuhl und küsste sie auf den Nacken.
    „Verschwinde!“, sagte Otto ungehalten. „Du bist betrunken! Ich schätze es nicht, wenn man mir auf die Schulter haut und die Königin abschmatzt!“
    „Wie? Was?“, protestierte Wichmann. „Ich werde mir doch noch erlauben dürfen, eine liebe Verwandte, hehe …“
    Doch schon wurde er gepackt und fortgezerrt. Der König hatte einem in der Nähe stehenden Leibwächter ein Zeichen gegeben.
    „Nun schwankt er davon und ist wieder einmal beleidigt“, sagte Otto, abfällig lachend.
    „War das nötig?“ Edgith hatte jetzt Mühe, ihre Verärgerung nicht zu zeigen. „Musstest du ihn so zurechtweisen?“
    „Er muss lernen, dass er sich nicht mehr jede Freiheit herausnehmen darf, nur weil er mit der Schwester meiner Mutter verheiratet ist. Hat er dich besabbert? Ekelst du dich nicht vor ihm? Er hasst mich schon jetzt und bald wird auch er mein Todfeind sein, dessen bin ich gewiss. Er hält sich für einen großen Feldherrn und glaubt, als Verwandter der Liudolfinger ist er einer der Ersten im Reich und darf die höchsten Ansprüche stellen. Schon trompetet er überall herum, dass er demnächst das Kommando über alle sächsischen Truppen erhält. Dass er Markgraf an der unteren Elbe wird. Angeblich hat ihm mein Vater das zugesagt. Aber der liegt im Grab und ich kann auf dem Posten keinen brauchen, dessen letzte Heldentat viele Jahre zurückliegt. Keinen gealterten, versoffenen Höfling. Auch wenn er kluge Reden führt und alle glauben macht, |16| niemand sei so gebildet wie er. Wundern wirst du dich, Onkel Wichmann, wen ich an deiner Stelle ernennen werde!“
    „Er wird zu deiner Mutter gehen und sich beschweren. Und es wird wieder schreckliche Szenen geben.“
    „Nun wenn schon. Mag sie zetern und mich einen Grobian, einen ungeschliffenen Tölpel nennen. Weil mir alter Adel, Ansprüche und Verdienste gleichgültig seien. Weil mir die Geheimnisse der Macht für immer verborgen bleiben würden. Gott sei gelobt! Ich bin nun König und nichts verpflichtet mich noch, ihr zuzuhören!“
    „Das wird sie nicht hinnehmen. Ach, ich hab keine guten Ahnungen! Ich fürchte mich jetzt schon. Was soll daraus werden?“
    Der König winkte dem Leibwächter, der den alten Wichmann gepackt und weggeführt hatte.
    „Komm her, Gunzelin! Was hatte ich dir befohlen? Ich hatte gesagt: ‚Halte dein Schwert über mich!‘“
    Die Hand des Mannes, eines schwarzbärtigen Hünen, fuhr unter den weiten Mantel.
    „Ach, Dummkopf, zieh es nicht aus der Scheide, nicht jetzt! Ich meinte damit: Du sollst nicht zimperlich und zurückhaltend sein und niemanden mehr als drei Schritte an mich heranlassen!“
    „Ich dachte, Herr, weil es Euer Verwandter …“
    „Verwandter, Herzog, Erzbischof, Papst oder sonst wer! Halte ihn auf, stoße ihn weg, überwältige ihn, wenn es sein muss! Sind deine Leute auf ihren Posten?“
    „Ja, Herr!“
    Der König bedeutete ihm, sich zu
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