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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Autoren: Robert Gordian
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wie es nun einmal in seiner Natur lag, seinen Unmut nicht zurückhalten.
    „Versöhnen?“, wiederholte er. „Hat sie denn einen Grund, schon wieder beleidigt zu sein? Beleidigt sein könnte doch eher ich! Sie wurde eingeladen – aber am wichtigsten Tag meines Lebens bleibt sie fort! Erscheint nicht zu meiner Krönung!“
    „Es wird einen zwingenden Grund geben“, sagte Edgith beschwichtigend. „Vielleicht ist sie krank oder wurde unterwegs aufgehalten. Hoffentlich ist ihr nichts passiert! Sie trauert auch sehr um deinen Vater, er ist ja erst drei Monate tot. Da hielt sie es vielleicht nicht für angemessen, ein rauschendes Fest zu besuchen.“
    „Ich glaube eher, sie könnte es nicht ertragen, nicht mehr die Erste im Reich zu sein. Du bist eine gute Seele, Edgith. Du grämst dich – als sei es deine Schuld, dass mein Vater tot und die hohe Frau Mathilde nur noch Königinmutter ist. Nach siebenjähriger Drangsal macht es dir ein schlechtes Gewissen, weil du die Heilige |19| des Thrones beraubt hast. Sehr edel – doch völlig unnötig! Ich würde gern annehmen, dass meine Mutter nur der beschwerlichen Reise wegen nicht hier ist. Aber wahrscheinlich sitzt sie in Quedlinburg, am Grab meines Vaters, und grollt. Vielleicht grollt sie auch in der Merseburg, gemeinsam mit meinem Bruder Heinrich, ihrem Liebling. Natürlich grollen sie nicht deinet-, sondern meinetwegen. Weil der hässliche, plumpe Odda mit dem struppigen Bart und nicht der gertenschlanke, reizende Heinrich mit der gepflegten Lockenmähne nun König ist. Darüber werden sie nicht fertig! Vielleicht grollt noch ein Dritter mit ihnen, der mir am liebsten ans Leder gehen würde.“
    „Ach, Odda!“, sagte die junge Königin, die ihre Verstimmung nun kaum noch verbergen konnte. „Siehst du denn überall nur Feinde? Meinst du Tammo?“
    „Wen sonst?“
    „Er ist ein guter Kerl und ich mag ihn!“, sagte sie mit einem strengen Blick auf ihren Gemahl.
    „Ich mag ihn auch, aber er mag mich nicht“, erwiderte Otto und bemühte sich um ein harmlos-treuherziges Lächeln. „Warum ist er nicht gekommen? Die Boten mit der Einladung, die ich in Magdeburg absandte, können ihn unmöglich verfehlt haben. Andere aus der Ecke des Reiches, die ich zur Krönung lud, sind hier.“
    „Auch er kann Gründe haben …“
    „Vielleicht hat der Neid inzwischen seinen Verstand zerfressen. Der Neid ist ein böser Wurm und er begann schon an ihm zu nagen, als er, kaum sechs Jahre alt, meinen ersten Schrei hörte und man ihm sagte: Es ist ein Junge. Seine Stiefmutter hatte einen Sohn geboren. Er wird in dem zarten Alter schon geahnt haben, was das Leben für ihn bereit hielt: Unterordnung, Verzicht, falsche Hoffnungen. Aber muss er mich dafür hassen?“
    „Er hasst dich nicht!“
    „Oh doch, er hasst mich. Deshalb versuchte er auch immer wieder, mich herabzusetzen. Lange Zeit war ich ja der Schwächere. Oft genug hat er mir heimlich ein Bein gestellt, als ich noch Kind war, und wenn ich dann auf die Nase fiel, verhöhnte er mich vor aller Ohren, meiner Blödheit und Ungeschicklichkeit wegen.“
    „So etwas musst du ihm doch nicht mehr nachtragen!“
    „Das tue ich auch nicht, obwohl ich allen Grund dazu hätte. Ich wäre sogar bereit, seine Stellung zu verbessern, ihm ein Amt zu |20| übertragen … natürlich nur eines, wozu seine geringen Fähigkeiten ausreichen. Sogar die Nachlassregelungen meines Vaters, soweit sie ihn betreffen, ein bisschen zu seinen Gunsten zu verändern. Aber das Mindeste, was ich dafür verlangen kann, ist Anerkennung, Vertrauen, Treue. Auch von einem neidischen älteren Stiefbruder.“
    „Eines vergiss nicht“, sagte Edgith noch einmal verweisend. „In ihm fließt dasselbe Blut wie in dir!“
    „Das ist nicht zu bestreiten“, erwiderte Otto, wobei er sich in eine Ecke des Prunksessels drückte, eines seiner kurzen Beine über das andere schlug und mit dem Fuß wippte. „Aber in mir fließt es rascher und deshalb werde ich schneller sein als sie alle! Ich bin mit großem Abstand der Klügste in meinem Reich, alle diese Möchtegern-Herrscher bringen gemeinsam nicht so viel Verstand zusammen, wie ich hier in meinem dicken Kopf habe. Was immer sie planen – ich werde es herausfinden! Was immer sie unternehmen – ich werde ihnen zuvorkommen! Da ich nun einmal geboren bin, um König zu sein, will ich nicht vor der Zeit abtreten, wie so viele, die dazu geboren wurden, weil sie nicht wachsam waren, weil sie unter Herrschen nur Prassen, Huren
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