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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Autoren: Robert Gordian
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Letzte vom Karolingerstamm. Da ging es drunter und drüber im Reich, und die Einzigen, die davon Vorteile hatten, waren die Prälaten.“
    „Auch Odda ist viel zu jung und unerfahren. Schlimm wird es uns allen ergehen, Onkel – unter seiner Regierung! Wir müssen froh sein, wenn es uns gelingt, unser Eigentum zu retten. Sobald Odda aus Aachen zurück ist, werde ich das Erbteil meiner Mutter zurückfordern. Ungeteilt! Wozu hat es mein Vater behalten, als er sie ins Kloster zurückschickte? Für wen wohl? Für mich! Daran soll sich jetzt niemand vergreifen. Alles will ich … die Burg, das Land ringsum und später auch dein Amt, Onkel Siegfried. Das kann für ihn nur zum Vorteil sein. Wenn er dann als König gescheitert ist und ihn alle mit Hunden jagen, wird er mich hier in der Merseburg um Asyl bitten müssen. Wie freue ich mich auf diesen Augenblick!“
    Thankmar stieß ein trockenes Lachen aus.
    Der alte Markgraf seufzte, verzichtete aber auf eine Erwiderung. Er trat an eine der Zinnen und warf einen Blick hinunter.
    „Was ist denn das?“, rief er erschrocken.
    Unten bewegte sich langsam eine Kolonne von zwanzig, dreißig Männern den Burgberg herauf. Es war ein erbärmlicher Zug halbnackter Gestalten, die einen Karren zogen und schoben, auf dem ein paar Habseligkeiten, Waffen und blutige Lumpen lagen.
    |25| Als sie unter den Bäumen hervorkamen, sah der Markgraf, dass die meisten von ihnen mit Wunden bedeckt waren, humpelten und einander stützten.
    Er erkannte gleich die Ersten.
    „Mesaburier!“, schrie er hinunter. „Wo kommt ihr her?“
    „Aus der Hölle!“, schrie einer herauf.
    „Und die anderen? Unser siegreiches Heer?“
    „Hat Boleslaw, der Teufel, geholt!“

3
    Boleslaw aus dem Geschlecht der Presmysliden war der Fürst von Prag, der das Land Böhmen beherrschte. Obwohl er nur das tat, was alle taten, die Macht hatten und noch mehr davon wollten, verdiente er sich den Beinamen „der Grausame“. Dies vor allem, weil er im September 935 seinen Bruder Wenzel mit eigener Hand ermordet hatte, den ersten christlichen Fürsten seines Landes. Böhmen hatte nun einen heiligen Märtyrer und einen Tyrannen.
    Gleich in seinem ersten Regierungsjahr suchte Fürst Boleslaw seine Macht nach Norden auszudehnen. Er griff einen der benachbarten slawischen Stämme an, der aber, von König Heinrich unterworfen, bereits den Sachsen tributpflichtig war. Sein Knes schickte Boten zu Markgraf Siegfried mit der Bitte um Waffenhilfe. Der schickte Asik mit seiner Schar begnadigter Verbrecher, die „Mesaburier“, verstärkt durch einen Haufen aus dem Hassegau. Es war nur ein kurzer Feldzug mit einer vernichtenden Niederlage.
    Ermutigt durch den Erfolg Fürst Boleslaws und seiner Böhmer, erhob sich sogleich ein anderer slawischer Stamm, den König Heinrich bekämpft und tributpflichtig gemacht hatte – die Redarier. Ein Flächenbrand drohte, die Elbe schien als Reichsgrenze nicht mehr sicher zu sein. Das endlose Grenzgeplänkel mit den wendischen Kleinstämmen auf der anderen Seite, die offensichtlich den Wechsel an der Spitze des Reiches ausnutzen wollten, wurde plötzlich zur ernsten Bedrohung. Otto, der neue König, sah sich schon kurz nach seinem Regierungsantritt in einer kritischen Lage und musste schnell und entschlossen handeln. Er setzte mit einem Heer über den Unterlauf des Flusses und rückte in das Gebiet der |26| Redarier ein. In der klugen Einsicht, dass seine eigenen militärischen Fähigkeiten begrenzt waren, ernannte er zuvor einen neuen Feldherrn, zu dem er Vertrauen hatte. Es war kein Fehlgriff. Hermann Billung bewährte sich glänzend, schlug den Aufstand nieder und die Redarier verschwanden in ihren schwer zugänglichen Rückzugsgebieten. Mehr war nicht zu erreichen. Die Sachsen kehrten zur Elbe in ihr Lager zurück, wo König Otto sie erwartete. Er belohnte seine erfolgreichen Kämpfer und ernannte ihren Feldherrn zum
princeps militiae
, zum Oberkommandierenden in den Gauen der unteren Elbe.
    Mit dieser Entscheidung allerdings stach der junge König – wie mit fast allem, was er tat – in ein Wespennest. Ein halbes Dutzend sächsischer Edelinge, die auf einen so angesehenen und einträglichen Posten unter dem neuen Herrscher gehofft hatten, fühlte sich zurückgesetzt, wenn nicht beleidigt. Besonders einer machte kein Hehl aus seiner Enttäuschung und Verbitterung.
     
    Am Tage nach der Rückkehr des siegreichen Heeres wurde das Lager abgerissen und die Verschiffung über die Elbe vorbereitet.
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