Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
|9| als Kämmerer die Oberaufsicht und war für den reibungslosen Ablauf des Festes verantwortlich. Eberhard von Franken besorgte als Truchsess den Tisch, Hermann von Schwaben war oberster Mundschenk. Arnulf von Bayern als Marschalk hatte das Lager für die vielen Gäste eingerichtet und kümmerte sich um die Versorgung der Pferde. Der junge König zeigte sich freigebig, wie es sich für einen neuen Herrscher gehörte, und geizte nicht mit Geschenken, die er während des Festes überreichte, in ihrem Wert dem Ansehen und der Bedeutung der Empfänger entsprechend. Manche Kostbarkeit aus dem königlichen Schatz wechselte den Besitzer.
    So nahm das herrliche Fest seinen Lauf und je länger es sich hinzog, desto weniger kümmerten sich die Gäste um das Paar, das vorn allein an der zu den beiden langen Tischreihen quer gestellten Tafel saß. Anfangs hatte es die Stimmung in der Halle ein wenig gedrückt, dass die beiden, so sichtbar räumlich von allen anderen geschieden, auf hohen Armstühlen saßen und auf die Versammelten herabblickten. Das Lächeln der jungen Königin Edgith, einer sehr schlanken, blassen, flachsblonden Angelsächsin, schien in ihre Züge gemeißelt zu sein, huldvoll und freundlich, doch eher teilnahmslos. Otto, der neue junge König saß breit und gedrungen auf seinem Armstuhl wie Stunden zuvor in der Basilika auf dem Thron Karls des Großen, trank diesem und jenem zu, sprach ein paar Worte, wenn sich ihm einer der Gäste näherte, verzog aber kaum die reglose Miene seines runden Gesichts und richtete nur von Zeit zu Zeit einen langen, durchdringenden Blick der kleinen, lebhaften, funkelnden Augen auf diesen oder jenen, welcher, wenn er dessen gewahr wurde, einen leichten Kälteschauer verspüren mochte. Je mehr man auftrug und einschenkte, desto mehr löste sich aber die anfängliche Beklemmung und an den Tischen wurde sogar hinter der vorgehaltenen Hand gewitzelt, anscheinend langweile sich der junge Herrscher auf seinem Hochsitz und man werde ihn aus den Wolken herabholen und beschäftigen müssen. Anlässe gebe es ja genug.
    Die witzigen Herren ahnten nicht, dass hinter der breiten Stirn des frisch Gekrönten, die der mit Edelsteinen bestückte Goldreif umspannte, derselbe Gedanke schon kräftig weiterwucherte. Als es nun spät wurde, begann König Otto, nachdem er lange geschwiegen hatte, plötzlich zu reden, endlos, wie es, wenn er einmal anfing, seine Gewohnheit war. Bei dem Stimmengewirr, der Musik |10| und dem Lärm brauchte er sich nicht vorzusehen und musste die Worte nicht allzu sorgfältig wählen. Er stützte den Ellbogen auf die Armlehne, neigte sich seiner Gemahlin zu, damit sie ihn besser verstand, und sagte:
    „Was meinst du? Welcher von ihnen wird anfangen?“
    Die junge Königin vergaß einen Augenblick zu lächeln und blickte auf ihn herab. Auch im Sitzen überragte sie ihn um eine halbe Kopflänge.
    „Womit anfangen?“
    „Nun, ich meine, wer wird der Erste sein, der mich lieber tot als lebendig sähe und versuchen wird, mich von dem Thron zu stoßen, auf den sie mich gerade gehoben haben?“
    „Odda!“, erwiderte sie vorwurfsvoll. „Hast du nicht gerade heute erlebt, dass alle dir treu ergeben sind und …“
    „Was sind ihre Treueschwüre wert?“, unterbrach er sie. „Wie lange werden sie halten? Was dachten die Herren in dem Augenblick, als sie ihre Hände in die meinen legten und die Eidesformel sprachen? Dachten sie, dieser Mann ist schon tot und bald werden wir an seinem Grab stehen und für sein Seelenheil beten, da ihm irdisches Heil nun mal nicht beschieden war?“
    „Wie kannst du so entsetzliche Dinge sagen! Sieh mal, Herzog Eberhard trinkt dir zu! Wenn einer dir wohlgesinnt ist, dann ist er es. Willst du ihm nicht danken?“
    Ein stattlicher, reich gekleideter Mann mit Silbermähne, der mit geistlichen Würdenträgern beisammen stand, hatte seinen Becher erhoben und blickte herüber, die langen, gelblichen Zähne entblößend und eine Verbeugung andeutend.
    Otto ergriff seinen Goldpokal, schwenkte ihn lässig, trank einen Schluck und murmelte: „Ich danke Euch, Herzog Eberhard. Auch ich trinke auf Euer Wohlergehen und lobe Euch nochmals für Euer Kommen. Seid versichert, Ihr seid die stärkste und unverzichtbarste Säule meines Reiches.“
    Er stieß ein trockenes Lachen aus.
    „Du bist ungerecht!“, sagte Edgith, die ebenfalls an ihrem Pokal genippt und dem Herzog zugelächelt hatte.
    „Aber ich lobe ihn doch“, sagte Otto.
    „Du kannst ihn nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher