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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Autoren: Robert Gordian
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und das Treiben von Affenpossen verstanden. Nun sieh dir an, was die dort wieder anstellen! Würfeln, betrügen, beschimpfen sich. Gleich wird es losgehen, gleich werden Fäuste fliegen und einige werden sich blutige Köpfe holen. Ich sollte die Kerle vor die Tür setzen lassen, alle, auch wenn unter ihnen Prälaten und Grafen sind. Heute will ich noch nachsichtig sein, weil es der erste Tag meiner Herrschaft ist, aber ich werde ihnen klar machen müssen, wie sie sich künftig in Gegenwart ihres Königs und ihrer Königin zu benehmen haben. Wir sollten uns jetzt zurückziehen …“

2
    Auf dem Wehrgang der Merseburg standen an einem kühlen Spätsommertag desselben Jahres unter wolkenverhangenem Himmel zwei Männer und blickten lange schweigend hinunter auf die bewaldete Ebene südöstlich des Burgbergs. Der Ältere, über die Fünfzig hinaus, weißhaarig, etwas gebeugt, mit den verwitterten Zügen |21| des Kriegsmannes, war Markgraf Siegfried, ein Vetter der ersten Gemahlin des verstorbenen Königs Heinrich, der seit Jahrzehnten das Grenzgebiet zu den wendischen Kleinstämmen östlich von Elbe und Saale bewachte. Der Jüngere, um die Dreißig, war Thankmar, Tammo genannt, sein Großneffe, der einzige Sohn der Frau Hatheburg, die Heinrich nach kurzer Ehegemeinschaft verstoßen hatte, um eine andere zu heiraten. Er war hager und hoch gewachsen, unter seinem Helm stahl sich langes, weißblondes Haar in dünnen Strähnen hervor. Der düstere, stechende Blick und das trotzig vorgeschobene Kinn schienen seit langem und fast unveränderlich das Gesicht eines Mannes zu prägen, dessen Stellung nicht seinem Stolz entsprach.
    „Ich möchte wissen, wo Asik bleibt“, sagte schließlich der alte Markgraf. „Vor neun Tagen brachte der Bote die Siegesmeldung. Die Mesaburier und die aus dem Hassegau müssten längst zurück sein. Siehst du auch nichts?“
    „Nichts“, erwiderte Thankmar und wieder schwiegen sie eine Weile.
    „Ich hoffe, er unternimmt nichts auf eigene Faust“, bemerkte dann der Markgraf. „Asik ist alles zuzutrauen. Mit wenigen Leuten hat er früher gut gesicherte Kaufmannszüge überfallen.“
    „Bist du es gewesen, Onkel, der ihm das Kommando übertragen hat?“, fragte Thankmar.
    „Nein, das war noch dein Vater selbst. Er verurteilte Asik zum Tode, weil er fünf Männer ermordet hatte, und dann unterhielt er sich mit ihm, begnadigte ihn und sagte zu mir: ‚Der ist der Richtige, der soll die Mesaburier anführen!‘“
    „Ich war immer dagegen, einen Heerhaufen aus Verbrechern zu bilden“, sagte Thankmar. „Solche Leute sind unzuverlässig, von Zucht und Gehorsam halten sie nichts. Auf die Dauer werden sie Schaden stiften. Ich habe das auch meinem Vater gesagt. Aber er hörte nicht auf mich, meine Meinung galt ja bei Hofe nichts. Galt niemals etwas!“, fügte er gallig hinzu.
    „Ganz unnütz sind sie ja nicht, die dreckigen Schufte“, fand Markgraf Siegfried, die letzten Worte des Großneffen überhörend. „Und eigentlich war die Idee deines Vaters nicht schlecht. Diese Leute fürchten den Teufel nicht und verstehen, mit Waffen umzugehen. Wir haben in letzter Zeit so viele wehrhafte Männer auf den Schlachtfeldern verloren, dass es Verschwendung gewesen wäre, sie |22| hinzurichten oder auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen. Und seit sie hier sind, gibt es viel weniger Ärger mit denen von drüben. Und nun sollen sie sogar den Boleslaw bezwungen haben, den Böhmer …“
    „Trotzdem“, sagte Thankmar schroff, „wenn eines Tages ich hier gebieten werde, dann …“
    Er vollendete den Satz nicht, räusperte sich ärgerlich und rückte seinen Wehrgurt zurecht.
    Der Markgraf warf ihm einen kurzen forschenden Blick zu und sagte: „Wenn dieser Tag nahe wäre … Gottes Segen mit dir. Ich würde meine alten Knochen gern ausruhen. Du hättest gut daran getan, Neffe, nach Aachen zur Krönung zu reisen. Wer bei einem Machthaber etwas erreichen will, auch wenn es ein naher Verwandter ist, muss ihm huldigen und möglichst oft vor seinem Thron erscheinen.“
    „Ich hätte es nicht ertragen, mit anzusehen, wie Odda den Thron bestieg!“, stieß Thankmar hervor. „Dieser Zwerg – den Thron des großen Karl!“
    „Nun, Zwerg … damit untertreibst du wohl.“
    „Er reicht mir kaum bis zur Schulter. Ich meinte es aber anders. Was steckt schon drin – in seinem runden Bauernschädel? Etwa die Fähigkeit zu herrschen?“
    Markgraf Siegfried seufzte und sagte vorwurfsvoll: „Hast du es denn immer noch
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