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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Autoren: Robert Gordian
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entfernen, und fuhr fort: „Es könnten einige hier im Saal sein, denen es nicht schnell genug geht. Sie spielen die Arglosen, trinken mir zu, feiern fröhlich und haben vielleicht schon in aller Heimlichkeit etwas vorbereitet. Das wäre doch mal eine große Sache: ein König, der noch am Tag seiner Krönung verreckte! Der Täter könnte ein Werkzeug Gottes, die Tat ein Zeichen von oben sein. Wer brauchte danach noch einen Herrscher, der dieses auseinander fallende Reich zusammenhielte? Später erführe man aus den Geschichtsbüchern, dass König Otto der Letzte nur einen Tag lang regierte!“
    Er lachte laut auf. Einige, die in der Nähe saßen, blickten erstaunt zu ihm hin und tauschten flüsternd Bemerkungen.
    „Ich bitte dich, Odda, du erschreckst sie!“, raunte die Königin.
    |17| „Warum? Der König ist heiter! Das kann ihnen doch nur recht sein. Es beweist ihnen, dass er nichts ahnt.“
    „Odda! Hör auf damit.“
    „Schon gut, ich werde schweigen.“
    Eine Weile hielt er sich an sein Versprechen. Edgith saß kerzengerade und zwang sich, wieder zu lächeln. Otto, zurückgelehnt, zupfte an seinem blonden Bart und blickte gelangweilt auf das ausgelassene Treiben.
    „Fressen, Saufen, Geschrei und die Misstöne der Musikanten“, bemerkte er schließlich. „Dabei fühlen sie sich sauwohl, das gefällt ihnen. Hinterher huren sie oder prügeln sich. Aber Festgelage sind unvermeidlich, wir müssen ja unsere Leute bei Laune halten. Auch teuer sind sie, weil alle Geschenke erwarten. Meinem Vater warfen sie vor, dass er zu selten Hoftage abhielt. Er wusste warum! Dabei verstand er gut, bei solchen Gelegenheiten neue Anhänger zu gewinnen und seine Stellung zu verbessern. Stundenlang ging er von einem zum anderen, hörte sich an, was sie ihm vorschwatzten, gab Ratschläge, erteilte Auskünfte, versprach Hilfe. Er behandelte sie wie seinesgleichen, wollte nur
princeps inter pares
sein. Regierte mit Schwurfreundschaften. Gelobte ihnen feierlich Freundschaft, nachdem sie ihm den Vasalleneid geleistet hatten. Meine Art ist das nicht. Nein, so werde ich das Reich nicht regieren, ich werde niemandem Freundschaft schwören! Von heute an bin ich nicht mehr ihresgleichen – ich bin der Herrscher, dem man Gehorsam schuldet! Ich sitze auf meinem erhöhten Platz und rühre mich nicht von hier fort. Wer mit mir sprechen will, mag sich achtungsvoll nähern und aus gehörigem Abstand sein Anliegen vorbringen. Heimo, gib mir noch etwas Wein!“
    Ein Diener, der mit zwei Kannen in den Händen wartete, trat heran.
    „Und gieß tüchtig Wasser dazu, ich muss klaren Sinnes bleiben. Übrigens habe ich nicht gesehen, dass du den Wein gekostet hast. Es ist Herzog Hermanns Wein. Der ist zwar ein Freund, aber kann man wissen … Koste noch einmal!“
    Der grauhaarige Diener goss gleichmütig etwas Wein in ein altertümliches Trinkhorn, das er von seinem Gürtel nahm, trank und drehte es um zum Zeichen, dass es geleert sei.
    Otto nickte befriedigt.
    Er wollte seiner Gemahlin zutrinken, doch da bemerkte er die Träne, die über ihr schmales, blasses Gesicht lief.
    |18| „Was ist mit dir, Edgith?“, fragte er und versuchte, seiner etwas näselnden Stimme die zur Gewohnheit gewordene Schärfe zu nehmen. „Du lächelst, aber du bist nicht fröhlich. Schon wieder Tränen? Die sitzen dir wahrhaftig sehr locker. Höre, wir schicken gleich in den nächsten Tagen eine Gesandtschaft zu deinem Bruder, meinem teuren Schwager Aethelstan, den ich leider nicht kenne, obwohl wir schon sieben Jahre verheiratet sind. Mit einem kostbaren Geschenk, versteht sich, und mit der Nachricht, dass seine geliebte Schwester nun Königin ist. Es wird den Herrscher der Angelsachsen freuen, einen gleichrangigen Schwager zu haben. Was, denkst du, sollten wir ihm schenken?“
    „Vielleicht ein Evangeliar“, sagte sie aufschluchzend und wischte mit einem Tüchlein die Träne von ihrer Wange.
    „Meinetwegen ein Evangeliar. Es muss aber prachtvoll ausgeführt sein, damit es Eindruck macht. Mit schönen Bildern und Goldschrift.“
    „Wir sollten es auch im Namen deiner Mutter schenken. Sie ist eine Heilige, mein Bruder verehrt sie. Und es wird sie ein bisschen versöhnen.“
    „Versöhnen?“ Otto trank einen Schluck und stellte den Goldpokal hart auf den Tisch zurück. Er schob das Kinn vor und blies ein paar Mal die vollen, stark geröteten Wangen auf, als wollte er sich zwingen, auf die letzte Bemerkung seiner Gemahlin keine Antwort zu geben. Aber dann konnte er,
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