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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Autoren: Robert Gordian
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er mir Gift in den Becher. Es tut ihm längst leid, dass er sein Land vor acht Jahren, als ihm das Wasser bis zum Halse stand, von meinem Vater zum Lehen nahm. Jetzt möchte er zurück zu den Westfranken oder – noch besser – ein unabhängiges Reich Lothringen regieren. Hat er das vor? Will er das alte Mittelreich wieder herstellen? So wie es war, nach der Teilung unter die Söhne des frommen Ludwig? Zu Lothringen eines Tages Burgund, später vielleicht auch Italien? Mein Schwesterchen sehnt sich nach einer Krone, vielleicht sogar der einer Kaiserin.“
    |13| „Glaubst du wirklich, dass sie so hoch hinaus will?“, fragte die Königin.
    „Ich glaube es nicht nur, ich weiß es! Sie fühlte sich damals betrogen, als unser Vater, ein König, sie nur einem Herzog gab. Schon als Kind stolzierte sie aufgeputzt mit einer Krone umher. Sie hat Verstand und sie wird ihn gebrauchen. So wie beim Brettspiel, wenn sie mich mit ihren Steinen besiegte und spottete: ‚Zieh lieber meinen Wagen, Odda!‘ Und das tat ich sogar, wenn sie mit meinem älteren Bruder oder mit einem meiner Freunde, mit Hermann oder Gero, die alle einen Kopf größer waren als ich, König und Königin spielte. Wie falsch sie lächelt und uns dabei abschätzig mustert! Das ist nicht nur Eifersucht, das ist Feindseligkeit.“
    „Aber sie hat mich vorhin so herzlich umarmt und noch einmal beglückwünscht!“
    „Und dabei gedacht: ‚Diese verfluchte Inselbarbarin ist nun seit heute Morgen, was ich selbst gern wäre – Königin! Kann ich das hinnehmen? Ich, eine Liudolfingerin?‘ Sie wird …“
    „Ich bitte dich, Odda, lass das, Gerberga ist deine Schwester, sie liebt dich, sie wird uns nicht schaden!“, unterbrach Edgith ihren Gemahl und suchte ihn abzulenken. „Sieh doch mal dort, die Bayern! Ist das nicht lustig? Sie zeigen ihre heimatlichen Tänze!“
    „Wahrhaftig, sehr lustig“, fand auch König Otto, nachdem er einen Augenblick zugesehen hatte, wie ein paar bärtige Herren in Lederwämsern zwischen den langen Tischen die Beine warfen. „Herzog Arnulf ist schon ein bisschen wacklig, gleich wird ihm die Luft ausgehen. Zahm ist er geworden, der Alte, ich brauche ihn nicht mehr zu fürchten. Kaum zu glauben, dass die Prälaten ihn noch immer Arnulf den Bösen nennen.“
    „Er sieht so freundlich und harmlos aus“, sagte Edgith. „Tun sie das wirklich?“
    „Ja, und sie haben Grund dazu. Den Beinamen verdiente er sich schon vor dreißig Jahren, als er Klöster enteignete und Kirchengut einzog, um seine Leute zu versorgen. Das war richtig, obwohl er zu weit ging, aber er musste die Männer entlohnen, weil sie ihm halfen, mit der Magyarenplage fertig zu werden. Er zeigte auch meinem Vater die Zähne. Wollte nicht hinnehmen, dass nun ein Sachse das Reich regierte, ließ sich selbst zum König erheben. Nun, zwei Feldzüge brachten ihn zur Vernunft. Den Vasalleneid ließ er sich aber teuer bezahlen. Er bekam Privilegien, die einem Herzog nicht |14| zustehen: Bischofsinvestitur, unbeschränkte Nutzung von Krongut … Das alles werde ich rückgängig machen, den bayerischen Eigensinn muss ich brechen, diesen ewigen Anspruch auf Sonderwege. Aber das braucht seine Zeit …“
    „Jetzt geht ihm tatsächlich die Luft aus, hoffentlich hat er sich nicht überanstrengt!“, sagte die Königin besorgt. „Oh, sieh mal, wie liebevoll ihn die drei Söhne zu seinem Platz führen!“
    „Liebevoll?“, hakte Otto ein. „Nur solange sie noch nicht geerbt haben. Eberhard, Arnulf und Hermann … drei Wölfe, die gezähmt werden müssen. Aber wie zähmt man Wölfe? Alle drei sind Querköpfe, Fleisch gewordener Widerstand. Der Älteste, Eberhard, ist so alt wie ich, im selben Jahr geboren. Nun werden wir sehen, wer den härteren Schädel hat. Ich hatte heute schon ein erstes Geplänkel mit ihm.“
    „Etwa wegen der Heirat mit Heinrich?“, fragte die Königin Edgith aufmerksam.
    „Ja, ich fand deinen Vorschlag vernünftig und sprach die Bayern darauf an. Der Alte schien nicht abgeneigt, seine Tochter dem jüngeren Bruder des Königs zu verheiraten. Ich wollte die Sache gleich fest machen. Aber der Sturkopf Eberhard war dagegen. Angeblich ist sie noch zu jung. Ich widersprach, doch er behauptete, es ginge nicht ohne sein Einverständnis. Ich sagte: ‚Du bist weder ihr Muntwalt noch Herzog!‘ Da erwiderte er: ‚Herzog bin ich schon!‘ ‚Was?‘ rief ich. ‚Wie kannst du denn Herzog sein? Dein Vater steht doch lebendig neben dir!‘ Da sagte er: ‚Seit
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