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0208 - Die sieben Leben des Vampirs

0208 - Die sieben Leben des Vampirs

Titel: 0208 - Die sieben Leben des Vampirs
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Geh weg«, zischte der Blasse in der nachtschwarzen Kleidung. Sein schmales, eingefallenes Gesicht war vor Furcht verzerrt. Die spitzen, überlangen Eckzähne zitterten. Der Druide hob jetzt mit der rechten Hand seinen Silberstab. Er funkelte im Mondlicht.
    Der Hagere begann zu kreischen und streckte abwehrend die Hände aus. Er versuchte zu fliehen, aber der in den Stein gebrannte fünfzackige Stern warf seinen Bann über ihn. Es gelang dem Blassen nicht einmal mehr sich in eine Fledermaus zu verwandeln.
    »Nein!« schrie er. »Tu das nicht! Satan, hilf mir!«
    Doch der Druide beachtete das Schreien und Flehen des Langzahnigen nicht. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, als er auf den Mann zuging und die Hand mit dem Silberstab ausstreckte.
    Dann fraß sich der Stab, gleißend hell und vernichtender als ein geweihter Eichenpflock, in das graue Herz des Vampirs, der wie vom Blitz gefällt zusammenbrach.
    ***
    »Särge«, sagte Ulrica blaß. »Es waren sieben Särge. Sie standen in einer Reihe nebeneinander. Sie waren schwarz und schmucklos. Sieben schwarze Särge.«
    »Ganz schön verrückt«, lachte Angela. »Sieben Särge! Wer träumt schon von sieben Särgen? Und noch dazu immer wieder!«
    Ulricas Hand zitterte, als sie die Kaffeetasse an die Lippen führte. Draußen war es noch dunkel. Die Sonne brauchte noch ein paar Minuten, um den ersten Lichtschimmer voraus zu werfen und den Morgen anzukündigen.
    »Es ist jetzt schon das fünfte Mal, daß ich von diesen Särgen träume«, sagte sie. »Das muß etwas zu bedeuten haben.«
    »Klar«, sagte Angela. »Du wirst einen Bestattungsunternehmer heiraten und sieben Jahre lang mit ihm glücklich sein.«
    Ulrica setzte die Tasse wieder ab. »Du bist gemein«, sagte sie.
    »Du darfst mit so etwas keine Scherze treiben. Ich habe Angst.«
    »Vor dem albernen Traum?« wollte Angela wissen und legte einen Arm um Ulricas Schultern. »Träume sind Schäume, Mädchen. Denk daran!«
    Ulrica schüttelte sich und sah aus dem offenen Fenster hinaus ins Freie. Die beiden Mädchen bewohnten zusammen eine kleine Dreizimmer-Wohnung unter dem Dach eines ebenfalls kleinen Hauses. Ulrica studierte Journalistik im siebten Semester, Angela verkaufte Illustrationen an einen Zeitungsverlag. Vor einem Jahr hatte sie ihr Design-Studium abgebrochen und verdiente sich mit den Zeichnungen und Farbbildern jetzt ihren kargen Lebensunterhalt. Die Wohnung war klein und kalt, aber preiswert. Lange würden sie sie sich aber dennoch nicht mehr leisten können, denn der Bagger wartete schon. Im Zuge der Stadtsanierung sollte anstelle einer kleinen, gemütlichen Häuserzeile ein gewaltiger Palast aus Glas und grauem Beton entstehen. Ein Versicherungskonzern hatte die ganze Straße aufgekauft.
    »Ich habe Angst vor den Särgen«, sagte Ulrica. »Ich weiß, daß es sie wirklich gibt.«
    Sie erhob sich und trat ans Fenster, um frische Luft in die Lungen zu saugen. Da fuhr sie mit einem erschrockenen Schrei zurück und schlug mit den Armen wild um sich.
    »Weg da! Weg, verdammtes Biest! Hau ab!«
    Das Flappen ledriger Flughäute drang überlaut durch das kleine Zimmer. Angela sah, wie etwas Schwarzes durch das offene Fenster eindringen wollte. Ulrica stieß einen durchdringenden, schrillen Schrei aus. Da wich das geflügelte Ungeheuer zurück und verschwand wieder.
    Ulrica taumelte auf ihren Stuhl zurück. Sie zitterte noch stärker als zuvor.
    Angela hastete zum Fenster und schloß die beiden Flügel mit hörbarem Krachen. Ulrica fuhr zusammen. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
    »Was ist denn?« fragte Angela barscher als beabsichtigt. Das seltsame Gebaren ihrer Freundin irritierte sie. »Das war eine harmlose Fledermaus!«
    »Zu groß«, flüsterte Ulrica. »Sie war zu groß… das war mehr als eine Fledermaus… und dann die Augen!«
    »Du hast sie ja nicht einmal richtig gesehen«, sagte Angela.
    »Ich habe ihre Augen gesehen«, sagte Ulrica tonlos. »Das waren menschliche Augen. Mörderaugen.«
    Schulterzuckend wandte Angela sich ab und begann auf dem kleinen Herd, neues Kaffeewasser aufzusetzen. Sie schwieg.
    Ihrer Meinung nach war Ulrica zu sehr im Streß. Das Studium machte sie kaputt. Ulrica kniete sich tierisch in den Stoff. Sie hatte die ersten Semester verbummelt, und das rächte sich jetzt.
    Bafög war gekürzt worden, die Regelstudienzeit näherte sich ihrem Ende, und danach würde es kein Geld mehr geben. Sie mußte ihren Abschluß so schnell wie möglich machen, und diese Belastung zerrüttete
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