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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Autoren: James S. A. Corey
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Innenohr meldete keine Corioliskraft, also drehten sie sich nicht. Maschinengeräusche gab es auch nicht, also flog die Behemoth nicht mit Schub.
    Holden tastete den Boden vor sich ab. Es fühlte sich wie Erde an. Feuchte Erde, Steinchen. Ein Untergrund, auf dem Pflanzen wachsen konnten.
    »Oh, Mann, tut mir leid«, sagte jemand. Miller. Obwohl es keine sichtbare Lichtquelle gab, wurde es hell. Holden kniete nackt auf einer weiten Ebene, die anscheinend mit Moos und Gras bewachsen war. Die Helligkeit entsprach einer Vollmondnacht, doch droben waren weder Monde noch Sterne zu erkennen. In der Ferne ragte etwas empor, das ein Wald sein konnte. Ein paar Meter entfernt blickte Miller zum Himmel hinauf. Er trug den gewohnten alten grauen Anzug und den albernen Hut. Die Hände hatte er in die Taschen gesteckt, darüber hing die verknitterte Jacke.
    »Wo …«, setzte Holden an.
    »Der Planet stand im Katalog. Der erdähnlichste, den ich finden konnte. Ich dachte, das wirkt beruhigend.«
    »Bin ich hier?«
    Miller lachte. Seit ihrer letzten Begegnung hatte sich die Färbung seiner Stimme verändert. Es klang heiterer und voller, irgendwie gewaltig. »Junge, nicht einmal ich bin hier. Aber wir brauchten einen Ort, um zu reden, und dieser hier schien mir besser als eine weiße Leere zu sein. Ich habe jetzt Rechenkapazität übrig.«
    Holden stand auf. Seine Nacktheit war ihm peinlich, obwohl es nur eine Simulation war. Andererseits konnte er nichts daran ändern. Aber falls es wirklich eine Simulation war, dann gab es noch ganz andere Dinge zu bedenken.
    »Stecke ich immer noch im Schusswechsel?«
    Miller drehte sich um, sah ihn aber nicht direkt an. »Hm?«
    »Ich war in einem Schusswechsel, ehe Sie mich geholt haben. Wenn das hier nur eine Simulation in meinem Gehirn ist, bin ich dann körperlich immer noch im Feuergefecht? Schwebe ich mit verdrehten Augen durch die Luft oder so?«
    Miller schien ehrlich betroffen.
    »Kann sein.«
    »Kann sein?«
    »Ja, das kann sein. Hören Sie, machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Es dauert nicht lange.«
    Holden ging zu ihm und sah ihm in die Augen. Miller lächelte wie ein trauriger Bassett. Die Augen glühten elektrisch blau.
    »Aber wir haben es geschafft, oder? Haben wir bei der Stromerzeugung die kritische Schwelle unterschritten?«
    »Allerdings. Ich habe die Station überzeugt, dass Sie im Grunde nur Staub und Felsen sind.«
    »Heißt das, wir haben die Erde gerettet?«
    »Na ja.« Miller deutete mit den Händen ein Achselzucken an. »Wir haben auch die Erde gerettet. Das war nie das wichtigste Ziel, aber es ist eine schöne Dreingabe.«
    »Gut, dass es Ihnen so wichtig ist.«
    »Oh.« Miller stieß ein schreckliches Lachen aus. »Es ist mir ziemlich egal. Ich meine, ich erinnere mich daran, ein Mensch gewesen zu sein. Die Simulation ist wirklich gut. Aber ich erinnere mich, dass mir Dinge wichtig waren, obwohl sie es heute nicht mehr sind, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Na gut.«
    »Oh, he, sehen Sie sich das mal an.« Miller deutete auf den schwarzen Himmel. Sofort erschienen dort blau schimmernde Ringe. Vom Zentrum aus gesehen umschwärmten sie die mehr als tausend Tore der langsamen Zone wie die Pusteblumensamen, an die Alex gedacht hatte. »Bitte schön!«, sagte Miller. Sofort wechselten die Tore die Farbe und spiegelten Tausende anderer Sonnensysteme. Holden konnte tatsächlich die fremden Sterne und die Welten sehen, die sie umkreisten. Er nahm an, dass Miller sich bei seiner Simulation gewisse künstlerische Freiheiten erlaubte.
    Vor seinen Füßen quakte etwas. Holden blickte nach unten und bemerkte ein Wesen, das einem Frosch mit langen Beinen ähnelte. Es hatte eine graue Haut und keine erkennbaren Augen, das Maul war voller spitzer kleiner Zähne. Auf einmal war Holden sich seiner nackten Füße, nur wenige Zentimeter von dem Wesen entfernt, sehr bewusst. Ohne nach unten zu blicken, vertrieb Miller das Froschwesen mit einem kräftigen Tritt. Es schoss auf seinen viel zu langen Beinen über das Feld.
    »Sind da draußen jetzt alle Tore offen?«
    Miller sah ihn neugierig an.
    »Sie wissen schon«, fuhr Holden fort. »In der Realität?«
    »Was ist die Realität?« Miller blickte zu den kreisenden Toren und dem Nachthimmel hinauf.
    »Der Ort, wo ich lebe?«
    »Ja, schön. Alle Tore sind offen.«
    »Kommen jetzt Ungeheuer durch, die mit Raumflotten eine Invasion beginnen und uns alle töten wollen?«
    »Noch nicht«, antwortete Miller, »was in gewisser Weise
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