Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier
Autoren: Peter J. Kraus
Vom Netzwerk:
benachbarten Landkreises und daher Wahlgebietes nur den Ärger über den Toten im Stadtknast am Hals hatte, aber nicht die Bewunderung der mitgebrachten Medien über die gelungene Action am frühen Morgen einheimsen würde.
    Der Staatsanwalt traf schon seit Jahresbeginn keine Entscheidung, ohne ihren Einfluss auf die Wahlen im kommenden November abzuwägen. Diesen schönen Erfolg konnte er bis spät in den Herbst hinein melken, wenn er es geschickt anfing – und wenn er sich einen Richter krallte, dessen Amtszeitverlängerung ebenfalls im November zur Wahlentscheidung anstand, dann konnte man gemeinsam Medienpräsenz planen. Ein fester Platz in den Abendnachrichten gab viel mehr her als die schönste Werbekampagne - und war dazu noch kostenlos.
    Der Staatsanwalt rieb sich die Hände. Ein Glückstreffer, diese Geschichte! Das erzählte er uns freudestrahlend und schlug vor, demnächst ein gemeinsames Abendessen einzunehmen. Irgendwo am Strand in Santa Barbara. Auf seine Kosten, selbstverständlich.
     
    Es war Mittag, als wir endlich losfahren konnten. Kofi hatte die Santa Maria Polizisten um Stillschweigen gebeten, hatte den Staatsanwalt beauftragt, seinen Kollegen in Pismo anzurufen und dem mitzuteilen, daß er sich den Nachmittag freihalten solle, und ihm einzuschärfen, den Pismoer Polizeichef zu sich zu bitten. Sofort. Und ihn im Büro festzuhalten, egal wie.
     
    Wir kamen um halb zwei in Pismo an – das Essen hatte geschmeckt, Kofi behauptete, es gebe eine lange Nacht, also wolle er gestärkt an die kommende Schicht gehen, und wir kamen gerade rechtzeitig an, um den Telefontechniker ins Revier zu begleiten. Die Stimmung der Uniformierten war, es lässt sich kaum anders sagen, sehr gedämpft. Sie schossen uns scheele Blicke zu, beschäftigten sich mit dem Hin- und Herschieben von Akten, tranken Kaffee, aßen Donuts, saßen herum und warteten auf die Wiederkehr des Messias. Die Schwärze von Kofis Haut war eindeutig eine der Ursachen des allgemeinen Unwohlseins.
    Wir saßen schweigend im Chefbüro, ich hatte von Singh nebenan Kaffee (Frau Singh, die Tagesschicht hatte, winkte empört Bezahlung ab, aber ich bestand darauf) und ein Dutzend chocolate glazed Donuts besorgt, und wir schauten nun der Uhr beim Ticken zu. Bis gegen zwei die Tür aufging und vier strahlende Deputierte des San Luis Obispo County Sheriffs Department vier betrübte Pismoer Bullen hereinbegleiteten.
    Die Sheriffs hatten ihre Stadtkonkurrenz jeweils von zu Hause abgeholt; die komplette Nachtschicht. Allen voran marschierte stramm Sergeant Martell, weißes Haupthaar schön frisiert, Zivilistensakko akkurat, Hose gebügelt und Schuhe auf Hochglanz poliert. Die Hände hielt er auf dem Rücken verschränkt, dank der Armbänder, die man ihm umgelegt hatte.
    Kofi trat zu ihm und schlug vor, der Sergeant solle doch jetzt mal, da er viel Zeit haben würde, im Handbuch die kriminologische Auswertung von Schmauchspuren nachlesen. Die seien nämlich auf Macmillans Stirn deutlich zu sehen gewesen, und die gäbe es nur, wenn aus geringer Entfernung geschossen wird. Martell schaute auf seine Schuhspitzen, der Diensthabende betrachtete seinen Chef ausdruckslos, guckte den Sheriff an und nickte. Der wies sich vorschriftsgemäß aus, ließ sich das Tagebuch geben und notierte Namen, Dienststelle, Dienstgrad, Uhrzeit und Datum, und schrieb dann die Daten des Sergeanten in die Kladde.
    Beihilfe zum Mord schrieb er als Verhaftungsgrund und überreichte dem Diensthabenden seinen Gefangenen. Das wiederholte sich dreimal, und dann saß die Creme der Pismoer Boys in Blue im eigenen Loch. Ich konnte mir nicht helfen; das war ein Anblick, den ich mir jahrzehntelang gewünscht hatte. Zufriedenheit strahlt dem Zufriedenen aus allen Poren. Ich muss an dem Nachmittag richtig geleuchtet haben.
     
    Kofi wünschte alles Gute, versprach, uns demnächst auf ein schickes Abendessen ohne Staatsanwalt einzuladen und verschwand wieder im Revier. Winston, Ignacio und ich standen noch ein paar Minuten auf dem Parkplatz herum, bis Winstons Habichte im Lincoln auftauchten, um ihren Boss in Empfang zu nehmen. Ich fuhr Ignacio nach San Miguel zurück. Dann lenkte ich den Jeep zur Ranch.
    Ich war überglücklich. Mein Leben war wieder in Ordnung; meine mir abspenstig gewordene Gattin war zwar noch immer so was wie ein Steinchen im Schuh – ich konnte keinen Schritt tun, ohne zu wissen, daß sie lauerte – aber ich würde über sie wegkommen. Ricky, jung wie er war, hatte sie wohl
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher