Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier
Autoren: Peter J. Kraus
Vom Netzwerk:
hörte.
     
    Ich blickte durchs Fenster und schaute auf eine dieser Überwachungskameras, die an Lichtmasten unter einem blechernen Sonnenschutz angebracht sind. Die bewegliche Sorte, die vom Besitzer ferngesteuert werden kann. Besonders Schnapsläden haben so was, Liquor Stores, die oft rund um die Uhr geöffnet und deshalb beliebte Ziele nächtlicher Raubüberfälle sind. Ich kannte den Typ, dem der Liquor Store gegenüber gehörte. Wenn es noch der gleiche Inder war, der damals den Laden kaufte, als ich noch bei KPIS-FM die Oldies spielte.
    Er war es noch. Staunte mich aus müden Augen an und meinte, ich sei doch angeblich tot. Gutes Gedächtnis, der Junge. Kanwaljit Singh stand auf seiner Verkaufslizenz, die wie vorgeschrieben an der Wand hing..
    „Noch nicht ganz tot, Mister Singh. Obwohl man es denken könnte, wenn man mich so anschaut.“ Wir taten beide, als sei das lustig. Ich beugte mich zu ihm hinüber. „Ich bin amtlich hier – ich muss mal Ihr Parkplatzvideo von heute Nacht überprüfen.“
    Klar, meinte Singh, kein Problem. Er sei ja schließlich ein ehrlicher Bürger, der seit der Geschichte vom letzten Jahr auch keinen Ärger mit der Behörde mehr hatte. „Weiß ich, weiß ich“, winkte ich ab, und wo denn der Rekorder sei. Er führte mich in seinen als Schnapslager benutzen Büroraum, ließ das Band zurücklaufen und zeigte mir, wo der Vorwärtsknopf zum Schnellerlaufen war. Dann setzte ich mich und schaute.
    Alle fünf Sekunden machte die Kamera ein Foto, also ging die Nacht recht schnell vorüber. Mittendrin stutzte ich, hielt das Band an, ließ es ein Stückchen zurücklaufen und sagte Mister Singh, daß ich sofort wieder da sei. Und nichts anfassen! Er schwor mit beiden Händen, daß ich alles genauso vorfinden würde. Rief mir noch nach, daß er mit der Behörde keinen Ärger will.
    Kofi, Winston, Ignacio und ich standen vor dem kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher in Singhs Schnapsbüro und schauten zu, wie jemand auf den Parkplatz fuhr, ausstieg und zum Polizeirevier ging. Nicht zum Zellenfenster, sondern zur Tür. Wir sahen nicht, daß er reinging, denn die Kamera reichte nicht soweit, aber wir sahen ihn auf einmal wieder zum Auto zurückkehren. Ein deutliches Bild nur. Und schon fuhr das Auto weg. Aber das eine Bild reichte uns. Wir kannten ihn alle; da stand VanDeKamp nachts um drei auf dem gemeinsamen Parkplatz von Singhs Open All Nite Liquors und der Pismo Beach Police Station.
    Winston pfiff, Kofi grinste, Ignacio schaute noch mal hin und ich hatte die Freude ja vorhin schon mal.
    Der Arschkriecher VanDeKamp aus Highschooltagen, der Korinthen kackende Bulle VanDeKamp, der früh pensionierte Schleimscheißer, der ins Drogengewerbe eingeheiratet hatte. Und jetzt musste er endlich mal Rechenschaft ablegen.
    Ich war überzeugt, daß ihn der Kofi au den Grill legt und ganz langsam röstet. So wie der sich freute. Winston hatte sich auch gefasst, schaute Kofi an und fragte, „darf ich mit?“
    „Klar", sagte Kofi. „Ihr auch.“
    Herzlich gern.
    Er holte Singh ins Büro, erklärte ihm, daß er die Kassette beschlagnahmen müsse, und als Singh wieder mit seinen Beteuerungen anfing, daß er doch ein honoriger Bürger sei, fiel ihm Kofi ins Wort und versprach, sich für ihn einzusetzen, falls er mal mit der Behörde, egal welcher, Ärger habe.
    Singh war so dankbar, daß ihm der lange, graue Bart zitterte. Er verbeugte sich so tief dass ich fürchtete, der Turban würde rutschen, und lobte in höchsten Tönen dieses Land der Freien, der Gleichen und der Unbegrenzten Möglichkeiten, selbst für einen armen Sikh wie er einer sei.
    Wir waren alle froh, mit dem Video unterm Arm ungeküsst herauszukommen.
    Kofi zog den diensthabenden Staatsanwalt beiseite, gab ihm das Band und bat ihn, es vertraulich zu behandeln. Er müsse weg und würde sich wahrscheinlich gegen Mittag melden. Der Staatsanwalt nickte und schob die Kassette in die Jackentasche.
    Ich fuhr hinter Kofi her. Kurz vor der Abzweigung ins Santa Maria Valley hielt er an, wir stiegen aus und hörten uns an, was er zu sagen hatte. Dass er der einzige sei, der die Staatsgewalt vertrete, und daß er bestimmt, was zu tun ist. Ignacio, Winston und ich, wobei er Winston auf die Brust tippte, seien Zuschauer, vielleicht Zeugen, bestenfalls Hilfskräfte.
    „Wenn es klemmt, aber nur dann. Wenn geschossen wird, was ich auf keinen Fall erwarte. Nur dann ist Waffengebrauch legal, und ich lege allerhöchsten Wert darauf, im Rahmen der Gesetze zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher