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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier
Autoren: Peter J. Kraus
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schon einigermaßen hinter sich. Nicht, daß er gefühlsarm wäre, aber er hatte schon immer mehr Zeit mit seinem Kindermädchen und mir verbracht als mit Julie. Ich hoffte, daß er die Frauen in seinem Kinderleben ohne Langzeitschaden verkraften konnte.
     
    Das Arier-Walhall war einsam. Bobby war unten am Meer mit Zorbian, die White Power Menschen schlichen irgendwo nebenan herum, und ich hätte zu gern jemanden gehabt, mit dem ich meine Freude teilen konnte. Ich überlegte eine Weile, nach Cornwall zu fahren und irgendwo in einer Bar zu hocken, doch die Vorstellung machte mich eher traurig. Also ließ ich´s. Ich hätte Marisol anrufen können, aber ich hatte noch immer Bedenken, abgehört zu werden. Lieber nicht. Das Fernsehen gab auch nicht viel her – halb nackte Schönmenschen auf einer einsamen Insel, die sich darüber stritten, ob Ameisen oder Heuschrecken knuspriger sind, ein Vorkriegsfilm, der sogenannte Journalist, der noch immer die Meinung vertrat, den Irakern sei die geschenkte Demokratie gut bekommen und außerdem hätte Saddam die Massenvernichtungswaffen nach Syrien verbracht. Alles Scheiße mit dem Programm. Ich beschloss, früh schlafen zu gehen.
    Natürlich muss dann das Telefon bimmeln. Ich meldete mich mit einem unwirschen Ja?
    „Junge, ich bin´s – dein neuer Freund.“
    „Winston. Wie schön, mal wieder von dir zu hören.“
    Er hatte kein Ohr für Sarkasmus. Heute nicht. „Ich wollte nur fragen, ob du dein Guthaben noch etwas aufstocken möchtest, ehe du uns verlässt.“
    Woher wusste er? „Was meinst du damit?“
    „Ich meine, wir sollten uns irgendwo hinsetzen und miteinander besprechen, was außer dir, mir und noch ein Freund keiner weiß.“
    „Winston, ich bin immer für Kohle zu haben. Aber ich mag nicht mehr durch die Blume reden. Ich kriege Kopfweh davon.“
    „Dann darfst du nicht mehr telefonieren. Oder meinst du, du hast nur noch Freunde?“
    Na gut. Er hatte natürlich recht. Wir konnten nicht offen sprechen; zu viele potenzielle Mithörer. „Sorry. Wo sollen wir uns treffen. Und wann?“
    „Bei meiner Tochter. Morgen früh. Horace holt dich ab. Acht Uhr?“
    „Gut. Wo?“
    „Wo du gerade bist. Du kennst Horace ja. Sag den Typen im Nebengebäude Bescheid, daß sie ihn reinlassen.“
    Scheiße, der wusste wirklich alles. Ich fragte nichtmal – war eh zwecklos. Ich verabschiedete mich, ging rüber und teilte dem diensthabenden Arier mit, daß mich morgen früh um kurz vor acht einer besucht. Der nickte, daß es in Ordnung sei, und machte ihrgendwas mit seinem rechten Arm.

 
     
     
    31 Arbeit

     
    Nach meiner Uhr war es dreizehn Minuten vor drei. Die Uniformjacke kratzte, die Stiefel kniffen, weil ich Idiot das Zeug nicht vorher anprobiert und mich darin eine Weile eingelebt hatte. Alles war steif, ungewohnt, und überhaupt wäre ich viel lieber woanders gewesen. Hatte das Ganze in den letzten Tagen dauernd im Kopf durchgespielt und war nun überzeugt, dass es niemals klappen würde.
    Winston saß im Beifahrersitz vor mir und zog am Joint. Der sah in seiner sandbraunen Uniform unmöglich aus. Die Dreadlocks hatte er zwar der Sache geopfert, damit er nicht auf Anhieb ausgelacht würde - ein California Highway Patrol Officer mit Dreadlocks muss erst noch geboren werden - aber er machte trotzdem einen sehr zivilen Eindruck. Doc sah echt aus, obwohl mir natürlich immer der aufgeklebte Schnauzer auffiel. Aber wer ihn nicht so genau in Erinnerung hatte, würde nicht merken, dass er´s war. Nachts um drei sowieso nicht.
    „Sind vorbei, alles klar, niemand vor ihnen", krächzte es aus dem Funkgerät auf der Mittelkonsole. Winston richtete sich mit einem Ruck auf, warf den halb gerauchten Spliff in hohem Bogen durchs heruntergekurbelte Fenster, drehte sich zu mir, sagte „also, los geht´s“ und stieg aus. Ich folgte. Wir liefen auf den Seitenstreifen, richteten die Sägeböcke mit den Umleitungspfeilen und roten Warnleuchten auf und zogen alle drei quer über die Fahrbahnen. Die Geschwindigkeitsbeschränkung und Straßenbauschilder hatten wir schon vor zehn Minuten weiter vorn angebracht, die Gummipylonen sperrten die linke Fahrbahn. Sah alles echt aus. Sie würden langsam ankommen, vorne auf den Rastplatz abbiegen und uns direkt in die Arme laufen.
     
    Doc hatte das reflektierende Schild aufgestellt, das Border Patrol Immigration Check Point Stop Here deklarierte, den aufklappbaren Stehpult mit Computerterminal hingestellt, die beiden Scheinwerfer eingeschaltet und
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