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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni
Autoren: Brigitte Glaser
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möglich. Keine Bewährung.
    Nun ja, fiel ihm ein. Für ihn waren die Schläger nur drei fiese Visagen ohne Geschichte, doch für Jenny bedeutete zumindest einer von ihnen mehr. Sie hatte mit Toni im Sandkasten gespielt, ihn mit zu ihrer Oma auf den Campingplatz genommen. Das wäre, als wenn – mit welchem Mädchen hatte er im Sandkasten gespielt? Emma Lüchow, genau! Aber Emma hatte er seit Jahren nicht mehr gesehen … Vera, mit der hatte er zwar nicht im Sandkasten gespielt, aber mit der war er seit der fünften Klasse befreundet gewesen. Warum nicht Vera? Wenn er beobachten würde, wie Vera einem anderen Mädchen das Gesicht zerkratzte. Da würde er auch nicht sofort zur Polizei rennen, da würde er erst mit Vera reden, wissen wollen, warum sie so etwas Gemeines machte. Warum hatte Jenny eigentlich mit Toni nicht über den Überfall geredet?
    Die Frage war kaum gedacht, als die Bahn an der nächsten Haltestelle anhielt, und genauso schnell und unerwartet wie Jenny vorhin, verließ Lovis die Bahn. In acht Minuten war die nächste angekündigt, und Lovis war sich recht sicher, dass Jenny die genommen hatte.
    Sie saß im hintersten Waggon an der Stelle, an der sie beide in der vorigen Bahn gesessen hatten. Die Plätze neben ihr und ihr gegenüber waren frei. Von außen konnte Lovis nicht erkennen, ob Jenny sich freute, ihn wiederzusehen, oder ihn immer noch zum Teufel wünschte.
    Â»E-erklär’s mir! Warum habe i-ich keine A-Ahnung?«, fragte er, als er sich auf den Sitz ihr gegenüber fallen ließ.
    Â»Erstens«, fing Jenny an. »Wär’s ein Wunder, wenn die Bullerei die sofort einbuchten würde. Zweitens: Und selbst wenn, was ändert es? Was glaubst du, wie lang Toni und die anderen dann im Gefängnis sitzen? Zwei Monate? Drei Jahre? Ist egal, denn irgendwann ist Toni zurück in der Roten Burg. Und glaub bloß nicht, dass das Gefängnis aus ihm ein reuiges Sünderlein macht, das danach nur noch Gutes tun will! Im Gegenteil! Der wird dann Rache wollen! Und wer hat ihn ans Messer geliefert? Ich! Selbst wenn ich dann nicht mehr in der Roten Burg lebe, was ich schwer hoffe, sind da noch Jasmin und Joe-Joe. Dann wird er sich an die halten. Und gesetzt den Fall es geschieht ein Wunder und Toni kommt friedlich zurück, was ist mit den beiden anderen? Der Psychopath ist doch einer, der das Böse schon mit der Muttermilch eingesogen hat!«
    Â»A-aber so kann’s doch nicht weitergehen!«, wagte er einzuwerfen.
    Â»Das weiß ich doch!« pampte sie zurück. »Warum glaubst du wohl, dass ich mir in einem fort den Kopf zerbreche?«
    Klar merkte er, dass sie sich den Kopf zerbrach. Aber brachte es etwas? Die Bahn hielt, im Hintergrund heruntergekommene Hochhaussilos, eine noch üblere Wohngegend als die, in der Jenny lebte. »Eine Brutstätte für Gewalt und Verwahrlosung«, sagte Gustav immer, wenn sie an solchen Siedlungen vorbeifuhren. Ob die zwei anderen Schläger in einer solchen Gegend aufgewachsen waren? Sein Blick kehrte zu Jenny zurück, die ihn herausfordernd ansah.
    Â»Wenn sie keine Strafe kriegen, machen sie i-i-immer so weiter«, sagte er.
    Â»Und wenn sie eine kriegen, dann nicht?«
    War das die entscheidende Frage? Worauf wollte Jenny hinaus? Darauf, dass Strafe nicht zu Reue, nicht zu Einsicht führte?
    Â»Glaub mir, wenn ich überzeugt davon wäre, dass der Knast aus Toni einen besseren Menschen machen würde, dann würde ich ihn sofort anzeigen«, machte sie weiter. »Weil ich dann auch keine Angst mehr haben müsste, dass er mir hinterher was antut. Aber meistens macht das Gefängnis alles noch viel schlimmer. Wenn du, bevor du einfährst, ein kleiner Verbrecher warst, dann bist du hinterher ein richtiger Galgenvogel.«
    Bessere Menschen, darum ging es doch gar nicht. Jenny machte ihn ganz meschugge. Das Gefängnis war keine Besserungsanstalt, das Gefängnis war ein Ort der Strafe. Die drei Kerle hatten ihn, einen Wehrlosen, auf übelste Art zusammengeschlagen. Einen, der ihnen nichts getan hatte. Dafür mussten sie bestraft werden.
    Â»Willst du, dass sie noch jemanden so zusammenprügeln?«, fragte er sie. »Und noch ei-einen und noch ei-einen? Bis ei-einer tot ist?«
    Â»Natürlich nicht! Ich will was ganz anderes. Ich will mich und meine Familie aus der Gefahrenzone bringen, so wie ich dich aus der Gefahrenzone gezogen
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