Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni
Autoren: Brigitte Glaser
Vom Netzwerk:
Weiter würde sie heute Nacht für Jasmins Scheißzigaretten nicht gehen.
    Draußen empfingen sie wieder die rauschenden Pappeln, der duftende Holunder und die Kittelschürzen der Fedotowa. Keine Schatten, keine menschlichen Geräusche, die Rote Burg schlief. Das hätte Jenny auch zu gerne getan. Sie stolperte fast über Toni, der es zwar noch bis zu seiner Haustür geschafft hatte, dann aber einfach umgekippt war. Er schnarchte, wie nur Besoffene schnarchen, und stank nach Bier und Zigaretten. Zigaretten! In seiner hinteren Hosentasche zeichnete sich eine Packung ab. Dass sie so schnell fündig werden würde, hatte Jenny nicht zu hoffen gewagt. Sie rüttelte ihn wach. »Hey Toni, hast du noch eine Zigarette?«
    Â»Was’n los?«, brachte er mühsam heraus.
    Â»Eine Zigarette!« Jenny half ihm auf die Beine und lehnte ihn an die Hauswand. Sein penetrantes Deo nahm ihr fast den Atem. Eins von der Sorte männlich-herb-unwiderstehlich. Toni fiel wirklich auf die doofste Werbung rein.
    Â»Du rauchst doch gar nicht«, nuschelte er.
    Â»Ist für meine Mutter.«
    Er schaffte es nicht, die Packung aus der Hose zu nesteln. Jenny half ihm. Sie hielt die Schachtel hoch und zog eine Zigarette heraus. »Dreißig Cent, okay?«
    Â»Schenk ich dir.«
    Er drohte wieder umzukippen. Jenny presste ihn mit einer Hand an die Hauswand und steckte ihm mit der anderen die Münzen in die Hosentasche. »Nicht nötig. Ich will nichts geschenkt. Wo ist dein Schlüssel?«
    In Zeitlupe bewegte sich seine Hand auf die rechte vordere Hosentasche zu, und nach etlichen Fehlversuchen kriegte er endlich den Schlüssel zu fassen.
    Â»Ich sperr dir die Tür auf, okay? Nach oben musst du dann alleine kommen.«
    Â»Ich hab Scheiße gebaut, totale Scheiße, Jenny«, nuschelte er. »Und ich weiß nicht, wie ich da wieder rauskomme.«
    Â»Schlaf erst mal deinen Rausch aus.« Jenny schob ihn ins Haus und drückte Toni den Schlüssel in die Hand. Sie hörte noch zu, wie er die Treppe hochstolperte und war heilfroh, als hinter ihm die Tür zufiel. Ein zusammengestammeltes Geständnis im Suff war das Letzte, was sie hören wollte. Nüchtern würde Toni das bitterlich bereuen. Wer wollte schon einen Mitwisser für eine Sache, die ihn in den Knast bringen konnte? Am besten, sie ging ihm in den nächsten Tagen aus dem Weg. Am besten, sie vergaß, was am Friesenplatz passiert war.
    Die Entspannung, die sich wenig später auf Jasmins Gesicht abzeichnete, als diese die Zigarette anzündete, erleichterte Jenny. Sie spürte wieder, wie müde sie war. Ihr Handy zeigte schon drei Uhr morgens an.
    Â»Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich machen würde, Kleines«, flüsterte Jasmin, und ihr Blick umspülte Jenny mit einer Woge der Dankbarkeit. »Aber sag, warum ist es bei dir heute so spät geworden?«
    Â»Ich habe einem Jungen das Leben gerettet.« Schon in dem Augenblick, in dem Jenny den Satz aussprach, wusste sie, dass es ein Fehler war. Auch Jasmin durfte nichts von der Schlägerei erfahren.
    Â»Du musst mich nicht anlügen, Kleines«, hauchte die Mutter mit Enttäuschung und frisch inhaliertem Nikotin in der Stimme. »Musst keine Geschichten erfinden. Du kannst ruhig zugeben, wenn du mit einem rumgeknutscht hast. Bist jung, die Hormone spielen verrückt, jeder muss seine eigenen Fehler machen.« Und dann kam die alte Leier, dass man keinem Mann trauen durfte und dass die stillen Säufer die Schlimmsten waren. »Weiß ich doch alles, Mama.« Jenny war heute ausnahmsweise froh, dass die Mutter ihr nicht richtig zuhörte, denn Jasmin fragte mit keinem Wort nach dem Jungen, den sie gerettet hatte. »Mach dir keine Sorgen. Geh jetzt schlafen«, redete Jenny ihr gut zu.
    Rauchkringel über dem Küchentisch, noch ein paar hastige Züge, dann drückte Jasmin die Zigarette aus und ging endlich ins Bett. Jenny leerte den Aschenbecher und sah sich in der Küche um. Halbvolle Töpfe auf dem Herd, schmutziges Geschirr auf der Anrichte. Immer öfter vergaß ihre Mutter aufzuräumen. Jenny ließ Spülwasser ins Waschbecken laufen. Sie wollte wenigstens morgens in eine saubere Küche kommen.
    Es war halb vier, als sie endlich in ihr Hochbett über Joe-Joe kroch. Noch einmal musste sie die Bilder vom Friesenplatz aus ihrem Kopf scheuchen. Vergiss das Ganze, befahl sie sich wieder. Und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher