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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen
Autoren: Karl May
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klaren, durchsichtigen See. Die Kühle des Abends umkoste seine Wangen, und teilnahmsvoll blickten alle auf ihn. Er fühlte die warme Hand Emmas auf seiner Schulter, von einer Bewegung ihre Herzens nach dieser Stelle getrieben.
    „Und dann, im Grab?“ fragte der Kapitän.
    „Fragen Sie Dante, den Dichter der Hölle, er wird Ihnen nicht sagen können, was ich fühlte. Es reicht ja keine Sprache und keine Zunge aus, dies zu beschreiben. Man grub mich aus und transportierte mich auf ein Schiff. Man stellte den Korb aufrecht in die Koje und erwartete mein Erwachen. Es kam langsam. Erst vermochte ich die Zunge zu bewegen, doch ohne sprechen zu können. Von diesem Augenblick an verging fast ein Tag, ehe ich des Gebrauches meiner Glieder mächtig wurde. Inzwischen hatte man mich in den Raum geschafft. Das übrige wißt Ihr. Landola sagte mir aufrichtig, daß ich nur leben solle, um nötigenfalls als Zwangsmittel zu dienen. Ich wurde in Berbera verkauft und nach Härrär gebracht, wo ich erst nach so langen Jahren Rettung fand.“
    Er schwieg. Er hatte alles erzählt, was nötig war, auch das, was er während seiner Flucht nach der Küste von Emma über die Schicksale der jetzigen Bewohner der Insel gehört hatte. Der Kapitän war der erste, welcher das Wort ergriff.
    „Was gedenken Sie nun zu tun, Don Ferdinande?“ fragte er.
    „Das wir nach Kalkutta wollen, wissen Sie – – –“
    „Um ein Schiff zu mieten?“ fiel Wagner ein.
    „Oder zu kaufen“, antwortete der Graf.
    „Alle Wetter, das kostet Geld!“
    „Ich bin damit versehen.“
    „War der Schatz des Sultans so groß?“
    „Er reicht zu“, lächelte der Graf.
    „Aber Sie möchten jedenfalls kein billiges Fahrzeug nehmen, kein Segelschiff, welches vielleicht gar nicht mehr gut seetüchtig ist.“
    „Nein. Die Fahrt per Segelschiff währt mir zu lange. Es gilt, den armen Freunden so schnell als möglich Rettung zu bringen.“
    „Aber ein Dampfer ist teuer, Señor.“
    „Ich bezahle jede Summe.“
    „Es könnte sogar der Fall vorhanden sein, daß keiner zu verkaufen ist.“
    „Auch nicht, wenn ich Millionen biete?“ fragte Don Ferdinande.
    „Alle Teufel, dann jedenfalls!“ rief der Kapitän. „Ein entflohener Sklave, der mit Millionen nur so um sich wirft, ist jedenfalls eine Merkwürdigkeit!“
    „Nun gut. Verstehen Sie sich auf die Führung eines Dampfers?“
    „Ich sollte es meinen. Die Hauptsache ist ein tüchtiger Maschinist, denn mit der Maschine hat der Kapitän wenig oder gar nichts zu tun.“
    „Ich bin Ihnen bereits zu großem Dank verpflichtet, und darum mag ich Sie kaum fragen, ob Sie den großen Ozean kennen.“
    „Kennen?“ lachte Wagner. „Ob ich ihn kenne! Wie meine Tasche! Ich bin als Schiffsjunge und später fast jeden Längen- und Breitengrad durchsegelt. Ich kenne alle Wasser und Wässerchens; nur in der hiesigen See, die wir jetzt vor uns sehen, bin ich noch nicht gewesen. Aber warum fragen Sie?“
    „Weil ich Vertrauen zu Ihnen habe. Ich möchte wünschen, daß Sie es seien, der uns nach der Insel bringt.“
    „Ich? Hallo! Ist das Ihr Ernst?“
    „Mein vollständiger.“
    „Von Herzen gern!“ rief der Kapitän. „Don Ferdinande, Sie sprechen mir aus der Seele. Ihre Schicksale sind so außerordentlich, daß Ihnen meine vollste Teilnahme gehört. Wollen Sie es wirklich mit mir altem Seehund versuchen, so hoffe ich, daß Sie mit Gottes Hilfe mit mir zufrieden sein werden.“
    „Aber dieses Schiff hier?“
    „Keine Sorge. Wir haben ganz unvergleichliche Geschäfte gemacht. Ich brauche nur in Kalkutta eine Ladung zu nehmen, so bin ich fertig. Mein Steuermann bringt sie glücklich heim. Er ist zuverlässig und wird mich bei meinem Reeder entschuldigen.“
    „Prächtig! So sind wir einig?“
    „Einig!“ nickte der Kapitän.
    „Topp?“
    „Topp!“
    Die Hände der beiden schlugen kräftig zusammen, und so war das Engagement getroffen, welches sich in der Folge als so günstig erweisen sollte.
    Der Wind wehte günstig, und das Schiff war kein schlechter Segler; darum wurde Kalkutta glücklich in noch nicht viel über drei Wochen erreicht. Kapitän Wagner fand dort passende Ladung, und während seine Leute beschäftigt waren, dieselbe zu stauen, sah er sich nach einem Dampfer um. Leider war keiner zu finden, der für irgendeinen Preis verkäuflich gewesen wäre. Diejenigen, welche im Hafen lagen, waren Eigentum von Regierungen oder Gesellschaften, so daß nicht eigenmächtig über sie verfügt werden konnte.
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