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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen
Autoren: Karl May
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Wettlauf nach dem Boot; Sternau war der erste, welcher es erreichte. Selbst die beiden, sonst doch so ernsten Indianer, sprangen wie die Schulknaben. Als alle eingestiegen waren, schoß das Boot auf das Schiff zu. Der Kapitän hatte dort seine Befehle zurückgelassen. Die Kanonen waren geladen worden, und als das Boot durch die Klippen ging, donnerte ein Schuß an Bord. In demselben Augenblick stiegen alle Flaggen und Wimpeln in die Höhe, und Schuß auf Schuß wurde gelöst, bis die Geretteten an Bord erschienen.
    Emma hatte ruhig geschlafen und nicht gemerkt, daß vor einiger Zeit das Boot vom Schiff gestoßen war. Erst der erste Schuß weckte sie aus dem Schlummer. Sie erschrak. Was war geschehen? Sie mußte es wissen. Sie sprang vom Lager auf, legte in größter Eile die Kleidung an und stieg aufs Deck. Da sah sie die lang gesuchte Insel liegen. Wild aussehende Gestalten stiegen an Bord. Eine derselben blieb erstaunt stehen, stürzte aber dann in desto größerer Eile auf sie zu. Es war ‚Donnerpfeil‘.
    „Emma!“ rief er.
    „Antonio!“ jubelte sie.
    Sie lagen sich in den Armen. Sie jubelten und weinten. Sie herzten und küßten sich wie Kinder, welche ihr Entzücken nicht beherrschen können. Daneben stand der Kapitän. Er weidete sich an ihrem Glück und fragte endlich:
    „Nun, Herr Helmers, ist Ihre Freude jetzt eine hundertfache?“
    „O eine tausend-, eine millionenfache!“ lautete die Antwort. „Aber sagen Sie mir um Gottes willen, wie Emma auf Ihr Schiff kommt. Wir glaubten sie alle tot, mit dem Floß elend untergegangen.“
    „Das werden Sie später ganz ausführlich erfahren. Jetzt aber kommen Sie herunter in die Kajüte. Das Frühstück steht bereit, und Sie sollen nach langen Jahren wieder einmal menschlich essen können.“
    Da unten ging es nun fröhlich zu. Es wurde einstimmig beschlossen, jetzt nur das Glück der Rettung und des Wiedersehens zu genießen, sich aber noch aller Fragen zu enthalten. Man hielt auch Wort, obgleich dies jedenfalls einem so schwer fiel, als dem andern. Das Mittagsmahl sollte auf der Insel abgehalten werden, und dann wollte der Kapitän sogleich in See stechen.
    „Aber wohin?“ fragte Sternau.
    „Nach Mexiko zu meinem Vater“, antwortete Emma.
    „Nach Mexiko, zu Cortejo, dem Betrüger“, drohte Don Ferdinande.
    „Nach Mexiko, zu den Mixtekas“, sagte ‚Büffelstirn‘.
    „Nach Mexiko, zu den Apachen“, fügte ‚Bärenherz‘ hinzu.
    „Nun wohl, nach Mexiko! Wir alle gehen mit!“ entschied Sternau.
    „Und wo landen wir?“ fragte der Kapitän.
    „Da wo wir in See gingen oder vielmehr in unser Unglück.“
    „Also in Guaymas?“
    „Ja. Sind wir dort, so werden wir erfahren, was weiter zu tun ist.“
    Das Frühstück verlief unter Lachen und Tränen. Das Entzücken über das Glück des Augenblicks wechselte mit dem trauernden Gedanken an die daheim Weilenden. Später kehrte man auf die Insel zurück. Der Kapitän nahm die deutsche Flagge mit, und gab so vielen seiner Leute Erlaubnis, mitzukommen, als an Bord entbehrt werden konnten. Es gab während des Diners die feinsten Speisen und Weine, welche er von Kalkutta mitgebracht hatte, die in Felle gekleideten Robinsons speisten wie die Fürsten; aber als die Reihe an den Champagner kam, schob er ihn beiseite und sagte:
    „Meine Herren und Damen, dieses flüchtige Getränk nachher, ich ersuche Sie, vorher mit mir etwas Ernsteres und Gehaltvolleres zu kosten. Folgen Sie mir!“
    Sie erhoben sich mit ihm von ihren mitten im Grün improvisierten Sitzen und folgten ihm auf den Hügel, wo sich der höchste Punkt der Insel befand. Dort stand der Bootsmann mit der deutschen Flagge, neben ihm ein Korb edlen Rheinweines. Die Flaschen wurden entkorkt und die Gläser gefüllt. Dann sagte der Kapitän:
    „Meine Damen und Herren. Ich habe, bevor wir scheiden, eine ernste und heilige Pflicht zu erfüllen. Diese Insel ist auf keiner Karte verzeichnet und liegt ohne Namen und Gebieter im weiten Meer. Deutschland, das Vaterland von vier Personen aus unserer Versammlung, hat nie ein Volk aus seinem Land verdrängt und um seinen Besitz gebracht. Es hat der Fürsten viele, aber keinen einzigen Herrn; es besitzt nur sich allein, aber keine Kolonie. Doch wird die Zeit kommen, wo es beides besitzt, und nur zur Bekräftigung dieser meiner Überzeugung, nehme ich diese kleine, an sich wertlose Insel im Namen des zu erwartenden deutschen Kaisers für mein Vaterland in Besitz und gebe ihr den Namen Rodriganda. Erheben Sie
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