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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Autoren: Karl May
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    „Kennen Sie die Gesellschafterin der Contezza de Rodriganda?“
    „Wie heißt sie?“ forschte der Spanier mit gespannter Miene.
    „Rosetta.“
    „Heilige Madonna von Córdova, so sind Sie wohl Señor Sternau aus Paris?“
    „Der bin ich.“
    Da erhoben sich sämtliche Mitglieder der Familie und streckten ihm mit einem freudigen Willkommen die Hände entgegen, sogar die Kleinen wagten sich herbei, um ihm mit lachenden Gesichtern die kleinen Händchen entgegenzustrecken.
    „Willkommen, herzlich willkommen!“ rief Mindrello. „Sie kommen gerade noch zur rechten Zeit. Die gnädige Contezza – die schöne Juno, ich wollte sagen, die gute Señora Rosetta ist in großer Angst gewesen. Ich werde sogleich nach ihr senden.“
    „Wurde der Graf heute operiert?“
    „Nein, noch nicht; die Contezza hat so lange gebeten und gefleht, bis man es noch einmal verschoben hat; aber morgen wird es sicher geschehen. Die Contezza ist ganz überzeugt, daß Sie kommen werden, Señor.“
    „So weiß sie von dem Brief, den mir die Gesellschafterin, Señora Rosetta, geschrieben hat?“
    „Ja, hm, natürlich weiß sie es“, antwortete der Spanier mit einiger Verlegenheit. „Aber, Señor, wir haben Ihnen für heut ein kleines Zimmerchen fertig gemacht, da oben im Giebel, wo die Blumen vor dem Fenster stehen. Ich werde Sie hinaufführen und Ihnen zugleich ein Abendbrot geben, bevor die Señora kommt.“
    „Und mein Maultier?“
    „Das wird beim Nachbarn einen Platz und auch Futter finden, bis Sie mit ihm in das Schloß ziehen. Wollen Sie mir folgen, Señor?“
    Er führte Sternau eine kleine Treppe empor in ein niedriges Gemach, dessen Decke der Arzt mit dem Kopf erreichte, welches aber höchst sauber gehalten war, in Spanien eine sehr große Seltenheit. Bald wurde das Mahl gebracht, und während desselben konnte Sternau durch das Fenster die herrliche Aussicht auf das Schloß genießen.
    Noch aus der Zeit der Mauren stammend, bildete es ein gewaltiges, durch malerisches Kuppelwerk gekröntes Viereck, welches trotz der Massenhaftigkeit seiner hohen und langgestreckten Fronten so leicht und lieblich gegliedert zum Himmel strebte, als sei es aus leuchtenden Minaretts (Türmchen), mit Rosenblättern verziert, gebildet. Von diesem weithin schimmernden Bau stachen die ihn umgebenden dunklen Korkeichenwaldungen außerordentlich effektvoll ab, und wer ihn jetzt betrachtete, als das verglimmende Abendrot seine zauberischen Tinten über ihn warf, der konnte sich in jene Gegenden des Morgenlandes versetzt fühlen, wo aus dem ewigen Pflanzengrün die Bauwerke der Kalifen so weiß, rein und unbefleckt emporragen, als ob sie von den Händen der Engel und Seligen errichtet wären.
    Der Tag schied aus dem Tal; die Dämmerung verschwand, und der Abend warf seine Schatten über Schloß und Dorf. Sternau brannte das Licht an und durchsah die Instrumente, welche ihm Mindrello heraufgebracht hatte, ehe er das Maultier zum Nachbarn schaffte. Da hörte er die Stiege leise knarren, und dann klopfte es.
    „Herein“, antwortete er.
    Die Tür wurde geöffnet und – da stand sie unter derselben, von dem Licht hell bestrahlt, sie, nach der er sich gesehnt hatte mit jedem Gedanken seines Herzens. Er öffnete die Arme und wollte ihr entgegeneilen; aber es ging ihm wie damals in Paris. Sie, die einfache Gesellschafterin, stand vor ihm so stolz, so hoch und hehr wie eine Königin; sein Fuß stockte, er wagte es nicht einmal, ihre Hand zu erfassen.
    „Rosetta –“
    Dieses eine Wort war alles, was er zu sagen vermochte; aber es lag in seinem Ton eine ganze Welt voll Entzücken und – Herzeleid.
    Sie stand vor ihm, ebenso ergriffen wie er. Sie sah ihn erbleichen, sie sah, daß er mit der Hand nach seinem Herzen fuhr, sie sah, daß sein Auge größer und dunkler wurde wie unter einer aufsteigenden Tränenflut, und nun zitterte auch ihre Stimme, als sie sagte:
    „Señor Carlos, Sie haben mich noch immer nicht vergessen?“
    „Vergessen?“ erwiderte er. „Verlangen Sie von mir alles, aber verlangen Sie nicht, daß ich Sie jemals vergessen soll. Sie sind mein Denken und Empfinden, mein Leben und Leiden, und Sie vergessen, das heißt nichts anderes als sterben.“
    „Und dennoch muß es sein. Heut aber dürfen wir uns noch sehen, und so will ich Ihnen danken, daß Sie gekommen sind.“
    „O Señora, ich glaube, ich wäre gekommen und wenn ich auf dem Sterbebett gelegen hätte“, antwortete er in tiefster
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