Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Koryphäen der chirurgischen Operation gehöre“, war die stolze Antwort.
    „Gut. Sie haben aber den Grafen glauben lassen, daß er gerettet werde?“
    „Natürlich.“
    „So bleibt es bei unserer Besprechung. Die Operation findet, ohne daß die Contezza darum weiß, bereits früh um acht Uhr statt. Ihr Honorar erhalten Sie in meiner Wohnung zu Manresa. Gute Nacht!“
    „Gute Nacht!“
    Die beiden Männer schüttelten sich mit einer Höflichkeit die Hände, als ob jeder den anderen für einen vollkommenen Ehrenmann halte, dann schieden sie. Der Advokat suchte aber sein Zimmer nicht auf, sondern ließ sich bei der Stiftsdame melden, welche ihm so eilig in das Vorzimmer entgegenkam, daß er erkannte, wie sehnsuchtsvoll er von ihr erwartet worden war. Sie zogen sich in das Boudoir der frommen Dame zurück, wo sie die Tür verriegelte, um vor einem jeden Lauscher sicher zu sein.
    Der Notar trug nicht die spanische Nationaltracht, sondern er war ganz schwarz in Frack und Pantalons gekleidet. Die Bewegungen seiner langen, hageren und weit nach vorn gebeugten Gestalt hatten etwas Schleichendes, etwas heimlich Einbohrendes an sich, und die Züge seines scharfen, aus einer hohen, steifen Halsbinde hervorragenden Gesichtes zeigten etwas so entschieden Raubvogel- oder Bösartiges, daß es schwer war, diesen Mann nicht zu fürchten. Der Eindruck seines abstoßenden Gesichts wurde verstärkt durch den unsteten, lauernden Blick seiner Augen, welche sich bald hinter die Lider zurückzogen und dann wieder einen so plötzlich stechenden Blick hervorschossen, daß man sich des Gefühles nicht erwehren konnte, man stehe vor einem giftigen Polypen, dessen Fangarmen man rettungslos verfallen sei.
    Auch die Stiftsdame trug gewöhnlich ihr schwarzes, häßliches Ordenskleid, jetzt aber hatte sie ein helles, üppiges Negligé angelegt, welches einer Tänzerin alle Ehre gemacht haben würde. Ihre Gestalt war stark und voll, und die Gesichtszüge der beinahe Fünfzigjährigen waren grob und unweiblich, wozu noch der unschöne Umstand kam, daß das eine ihrer Augen etwas schielte.
    „Willkommen, Señor“, meinte sie, indem sie sich mit widerlicher Koketterie in eine Samtottomane fallen ließ. „Ich habe lange auf Sie warten müssen. Wie steht es?“
    „Sehr gut“, antwortete er, indem er an ihrer Seite Platz nahm. „Der Chirurg ist auf meine Vorschläge eingegangen.“
    „So hat Gott sein Herz gelenkt, damit wir die Früchte unserer langen Enthaltsamkeit endlich einmal genießen können. Wird der Schnitt tödlich sein?“
    „Absolut.“
    „So können wir es nicht ändern“, meinte sie mit einem frommen Augenaufschlag. „Es ist dem Grafen wohl zu gönnen, daß ihn der Herr von seinen Leiden erlöst. Aber wird die Contezza nicht abermals widerstreben?“
    „Diesmal nicht, meine Liebe. Sie weiß nicht anders, als daß die Operation erst um elf Uhr vor sich gehen wird, während wir doch bereits um acht Uhr beginnen. Der Graf wird sein Leiden überstanden haben, wenn sie sich noch bei der Toilette befindet.“
    „Und Graf Alfonzo?“ fragte sie mit einem sehr impertinenten Zwinkern ihrer divergierenden, sich hin und her bewegenden Augen.
    „Er ist ganz der Mann dazu, unser Meisterstück zu krönen.“
    „Ja, es war ein Meisterstück von uns, ein Meisterstück, von welchem diese böse Welt keine Ahnung hat und auch niemals eine Ahnung haben wird. Wir hatten uns lieb, mein alter Gasparino, aber wir konnten uns nicht haben, denn ich war die Tochter eines stolzen Hidalgo, und du warst ein armer, brotloser Schlucker. Wir hätten das Kind unserer heißen Liebe doch noch töten müssen, wenn du nicht auf den köstlichen Gedanken gekommen wärst, es an Stelle des kleinen Grafen Alfonzo mit dem Bruder des Grafen Emanuel nach Mexiko zu schicken. Nun sind wir die Eltern eines Grafen und werden bereits morgen über die Millionen der Familie Rodriganda gebieten. Komm, mache dir es bequem und laß uns vergessen, daß ich nicht dein Weib werden konnte.“ –
    In einer sehr frühen Stunde des nächsten Tages verließ Contezza Rosa de Rodriganda ihre Gemächer, um einige Zeit im Park zu lustwandeln. Sie trug weder die beengende Pariser Kleidung noch irgendeine spanische Nationaltracht; die Gewandung, welche ihren schönen Körper umgab, war das Produkt einer sehr glücklichen Phantasieeingebung, eine sinnreiche Verschmelzung des duftig Maurischen mit dem gediegenen Nordischen.
    Unter weiten, goldgestickten weißseidenen Pantalons stak ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher