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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Autoren: Karl May
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Diener folgte ihnen, wagte aber kein weiteres Wort des Widerspruches. Von hier aus ging eine Tür nach dem Empfangszimmer des Schloßherrn. Gräfin Rosa fand dieselbe verschlossen und klopfte infolgedessen daran.
    „Wer ist draußen?“ fragte nach Wiederholung des Klopfens endlich eine Stimme, die sie als diejenige des Bruders erkannte.
    „Ich selbst“, antwortete sie. „Öffne schnell!“
    „Du, Rosa?“ klang es mißmutig und überrascht zurück. „Wer hat dich eingelassen?“
    „Ich selbst.“
    „War der Diener nicht auf seinem Posten?“
    „Doch. Öffne schnell, Alfonzo!“
    „Ich bitte dich, nach deinem Zimmer zurückzugehen. Die Ärzte haben die Gegenwart anderer sehr streng verboten!“
    „Die meinige lasse ich mir nicht verbieten, wenigstens jetzt nicht. Es ist noch lange nicht elf Uhr.“
    „Papa hat befohlen, daß die Operation bereits jetzt vorgenommen werde, und eine solche ist nicht für Damenaugen.“
    „Ich muß noch vorher mit ihm sprechen!“
    „Es geht nicht. Man beginnt bereits –“
    Diese letzten Worte hatten nicht mehr den rücksichtsvollen Klang wie die vorhergehenden. Sie hatten einen scharfen, ungeduldig-abweisenden Ton, als meine der Bruder, die Angelegenheit hiermit beendet zu haben. Dies regte, anstatt abzuschrecken, die Gräfin nur noch mehr auf.
    „Alfonzo“, rief sie streng, „ich verlange Zutritt, und den darfst du mir nicht verwehren. Ich habe das Recht und die Pflicht, vorher den Vater zu sprechen!“
    „Er wünscht es nicht. Übrigens habe ich jetzt keine weitere Zeit zu einer Unterhaltung bei verschlossener Tür. Gehe fort, denn dein Klopfen ist nutzlos!“
    „So öffne ich selbst!“
    „Versuche es!“
    Diese beiden Worte wurden mit einem häßlichen Lachen gesprochen; dann hörte man, daß der Sprecher sich entfernte.
    „Mein Gott, was soll ich tun?“ fragte Rosa ihren Begleiter.
    Er lächelte überlegen, zögerte aber, zu antworten, da er auf etwas zu horchen schien, was jetzt in den verschlossenen Räumen vor sich ging.
    „Gnädige Contezza“, meinte der Diener, indem er in demütiger Haltung näher trat, „ich bin überzeugt, daß man nicht öffnen wird. Haben Sie die Gnade, dieses Vorzimmer zu verlassen, da –“
    „Schweigen Sie!“ sprach sie mit einer gebieterischen Handbewegung.
    Sie hätte dieser Zurechtweisung des Lakaien vielleicht noch einige erregte Worte hinzugefügt, aber Sternau winkte ihr, das Ohr an die Tür zu halten. Sie tat es und hörte wie aus der Ferne die Stimme ihres Vaters in regelmäßigen Zwischenräumen zählen:
    „Fünf – sechs – sieben – acht – neun – zehn – elf –“
    „Was ist das?“ fragte sie, noch mehr als vorhin erbleichend.
    „Der Graf wird chloroformiert“, antwortete Sternau. „Ein Zählen soll das Fortschreiten der Betäubung markieren.“
    „So wird man wirklich schneiden?“
    „Allerdings.“
    „Das darf nicht geschehen, das darf nicht geschehen!“ rief sie in höchster, in entsetzlicher Angst. „Señor, helfen Sie mir!“
    „Geben Sie mir Erlaubnis zur Gewalt?“ fragte er.
    „Ja – aber handeln Sie sofort!“
    Sternau trat an die Tür und erhob den Fuß; ein lautes Krachen erscholl, und der Eingang war frei. Der starke Mann hatte die feste, hohe Tür mit einem einzigen Fußtritt aus dem Schloß getreten. Jetzt stand er mit der Gräfin im Empfangszimmer des Grafen. Dieses war leer, aber weiterhin ertönten laute Stimmen, und der nebenanliegende Raum wurde geöffnet. Graf Alfonzo und einer der Ärzte traten ein.
    „Was ist das?“ rief der erstere. „Ich glaube gar, du wagst es, Gewalt anzuwenden.“
    Er übersah es in seiner zornigen Überraschung, daß Rosa nicht allein vor ihm stand. Wer ihn jetzt so erblickte, mit drohend blitzenden Augen und stark angeschwollenen Zornesadern an der zwar niedrigen, aber sehr breiten Stirn, der konnte ihn recht gut auch einer gewaltsamen Tat für fähig halten. Graf Alfonzo war nicht ein häßlicher, abscheuerregender Mann, ein jeder einzelne Teil seines Gesichtes und ein jeder Zug desselben war im Zustand der Ruhe vielleicht schön zu nennen, aber diese verschiedenen Einzelheiten gaben keine fesselnde, befriedigende Harmonie, und jetzt, als der Grimm ihn beherrschte, war der Eindruck, den er machte, nur ein abstoßender zu nennen. Er glich einem jener Satansbilder, bei denen der Meister den Teufel nicht mit Pferdefuß und Hörnern darstellt, sondern das Diabolische dadurch zu erreichen sucht, daß er die an und für sich schönen
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