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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Autoren: Karl May
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wandte sich Sternau an die Gräfin:
    „Señora, ich bitte, mich diesem Herrn vorzustellen, welcher jedenfalls ein Kollege von mir ist.“
    Er deutete dabei mit einem verbindlichen Lächeln auf den spanischen Arzt, welcher sich während des heftiger werdenden Wortwechsels vorsichtig in eine Fensternische zurückgezogen hatte. Die Contezza nickte zustimmend mit dem Kopf und folgte seinem Wunsch mit den Worten:
    „Señor Doktor Carlos Sternau, Oberarzt in der berühmten Klinik des Professors Letourbier in Paris – Doktor Francas aus Madrid – ah, da treten auch die anderen Herren herbei. Doktor Milanos aus Córdova und Doktor Cielli aus Manresa.“
    Wirklich traten jetzt die beiden anderen Ärzte langsam aus dem Nebenzimmer, herbeigerufen durch den überlauten Wortwechsel und die so ungewöhnliche Störung ihrer Vorbereitungen. Sie verbeugten sich mit bedeutender Kälte vor dem Deutschen, aber der zuerst anwesende Arzt, Doktor Francas aus Madrid, wechselte die Farbe. Er war wohl der Begabteste und Unterrichtetste der drei und kannte jedenfalls den Namen des Professors Letourbier in Paris zu gut, um nicht zu wissen, daß er jetzt so ganz unerwartet und plötzlich einen Fachmann vor sich habe, dem vielleicht keiner von ihnen gewachsen sei. Er sah augenscheinlich ein, daß hierin eine ebenso große Gefahr für sie selbst wie für ihr finsteres Unternehmen liege, der man nur durch strenge und stolzeste Abwehr des Fremden begegnen konnte; darum erklärte er mit seiner harten, schnarrenden Stimme:
    „Dieser Señor ist mir unbekannt. Unsere Vorbereitungen sind beendet, wir bedürfen keiner anderen Beihilfe. Wir sind von unserem hohen Patienten beauftragt worden, die Operation an ihm vorzunehmen, und wenn ich dieselbe nicht sofort und ohne weitere unberufene Einmischung vornehmen kann, so stehe ich für nichts.“
    „Hörst du?“ sagte der Graf Alfonzo zu seiner Schwester. „Entferne dich augenblicklich und befreie uns zugleich von dem Anblick eines Menschen, dem ich nicht erlauben werde, nur eine Minute länger auf Rodriganda zu verweilen!“
    Sie wollte antworten, aber Sternau winkte ihr, zu schweigen.
    „Bitte, verehrteste Contezza“, sagte er, „gestatten Sie mir das Wort! Es ist meine Gegenwart, um welche es sich handelt, und darum will ich auch derjenige sein, welcher die Antwort gibt. Ich bin Arzt und zugleich Ihr Gast, Contezza, und darum würde es von Seiten Ihres Herrn Bruders die einfachste Höflichkeit und Rücksicht, von Seiten der anderen Herren aber die gewöhnlichste Kollegialität gebieten, Ihren Wünschen Folge zu leisten. Man tut das aber nicht. So stehe ich also hier nicht als ein höflich Bittender, sondern als der Beauftragte und ärztlich Bevollmächtigte der Gräfin Rosa de Rodriganda-Sevilla und erkläre folgendes: Da man eine so hochgefährliche Operation unter so verdächtigen Umständen vorzunehmen beabsichtigt, so habe ich den triftigsten Grund, zu glauben, daß man damit eine Absicht verfolge, welche das Licht des Tages und das Auge ehrlicher Zeugen zu scheuen hat. Darum erhebe ich mein Veto dagegen. Ich erkläre einen jeden, der den Schnitt unternehmen sollte, ehe ich den Patienten gesehen und gesprochen habe, für einen leichtsinnigen oder gar vorbedachten Mörder, und werde, falls man darauf besteht, mich mit Gewalt zu entfernen, sofort polizeiliche Unterstützung herbeirufen, welche den Wünschen der Gräfin dann sicher denjenigen Nachdruck geben wird, den man uns jetzt verweigert!“
    Wie ein Fürst, wie ein König stand er vor ihnen, mit hocherhobenem, stolzem Nacken, und einem solchen machtvollen Blick in seinen Augen, als sei er nicht ein unbekannter Fremder, sondern der Besitzer des Schlosses.
    Doktor Francas entfärbte sich zum zweiten Mal, und zwar noch tiefer als bisher, und die beiden anderen Ärzte senkten ihren Blick unter verlegenem Erröten zur Erde nieder. Auch der Graf fühlte sich wie von einem Keulenhieb getroffen, aber er war nicht der Mann, ein bereits begonnenes Spiel wieder aufzugeben. Er versuchte, sich zu beherrschen, zuckte wie mitleidig mit der Achsel und meinte dann:
    „Ein Wahnsinniger! Bei Gott, er ist nicht unverschämt, sondern nur wahnsinnig! Ich werde ihn den Dienern übergeben, damit sie ihn in das Irrenhaus bringen!“
    Er trat schnell zum Glockenzug und klingelte.
    „Das wirst du nicht tun!“ rief die Gräfin, seine Hand erfassend.
    Aber schon erschallte der laute Klang des Signals durch den Korridor, und da das ungewöhnliche Ereignis die
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