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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Autoren: Karl May
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das Übel betraf; dann mußte sich der Graf auf der Tafel ausstrecken, um auf das allersorgfältigste untersucht zu werden. Die Gewandtheit, mit welcher dies geschah, ließ die drei spanischen Ärzte zu der Erkenntnis kommen, daß sie es hier mit einem weit überlegenen Geist zu tun hatten.
    Endlich durfte sich der Patient wieder erheben; er fragte den Deutschen nach dem Ergebnis der Untersuchung, erhielt aber statt der erwarteten Antwort vorläufig nur die Frage:
    „Erlaucht, Sie sind blind. Darf ich mir auch in Beziehung hierauf eine Erkundigung gestatten?“
    „Fragen Sie getrost, Señor.“
    Auch hier waren eine große Menge von Fragen zu beantworten; dann brachte Sternau verschiedene Instrumente hervor, mit denen er die Augen beleuchtete, berührte, bewegte und untersuchte. Endlich war er auch damit fertig und wandte sich an die Spanier.
    „Señores, Ihr Kollege Francas aus Madrid hat vorhin erklärt, daß er keine fremde Einmischung dulden werde; ich muß also auf eine diskrete und kollegiale Konferenz Verzicht leisten und sehe mich gezwungen, meine Überzeugung mit aller Aufrichtigkeit auszusprechen, ohne auf jemand Rücksicht nehmen zu müssen. Erlaucht, auf welche Weise sollte Ihnen der Stein entfernt werden?“
    „Durch einen operativen Angriff auf das Mittelfleisch“, antwortete der Gefragte.
    Sternau erschrak auf das heftigste.
    „Das ist nicht möglich, Erlaucht“, rief er. „Entweder hat man Sie zu täuschen versucht oder Sie haben falsch gehört! Aber zu einer Täuschung kann ich allerdings keine Veranlassung erkennen.“
    „Es ist so, wie ich sagte“, erklärte der Graf. „Fragen Sie diese Señores!“
    Sternau warf einen Blick auf die Ärzte, von denen nur Francas in trotzigem Ton erklärte:
    „Wir halten die Rettung allerdings nur durch einen Schnitt in das Mittelfleisch für möglich.“
    „Aber, Señor“, meinte Sternau ganz erregt, „haben Sie den Stein gefühlt? Kennen Sie seine Größe und Lage? Halten Sie den Körper eines Mannes für denjenigen eines Weibes? Mein Gott, ich begreife das nicht! Hier ist ein jeder Schnitt höchst lebensgefährlich, ein Angriff auf das Mittelfleisch aber absolut tödlich! Meine Herren, ich erkläre jeden Arzt, der auf diese Weise zum Messer greift, für einen Mörder und nicht etwa für einen fahrlässigen Totschläger, sondern für einen Menschen, der mit aller Kaltblütigkeit und Vorherüberlegung einen Mord begeht!“
    „Señor!“ drohte der Madrider Operateur.
    „Señor!“ rief Sternau ihm mit blitzenden Augen zu. „Graf Rodriganda ist kein Chirurg; er konnte nicht wissen, was mit ihm vorgenommen werden sollte. Aber ein jeder Anfänger, ein jeder chirurgische Dummkopf wußte, ja mußte hier wissen, daß der Patient die Operation unmöglich überleben konnte. Meine Herren, was hat man Ihnen für den Mord an dem Grafen Rodriganda geboten?“
    Die Wirkung dieser Frage war eine fürchterliche. Der Graf sank erschrocken in einen Sessel; Francas aber ergriff eines der Messer, um auf Sternau einzudringen; die anderen beiden machten Miene, ihn zu unterstützen.
    „Bube! Schurke!“ brüllte Francas. „Du willst uns Mörder nennen?“
    „Ja, feige, ehrlose, gedungene Meuchelmörder!“ antwortete der Deutsche furchtlos. „Wenigstens einer von euch ist es; dann aber sind die anderen beiden leichtsinnige Dummköpfe, welche nicht wußten, was sie taten. Legen Sie dies Messer weg, Señor, ich bin Ihnen überlegen! Wenn ich Sie anzeige und den Fall untersuchen lasse, werden Sie wegen versuchten Totschlages zur Verantwortung gezogen.“
    Trotz dieser Drohung gelang es Francas, sich zu beherrschen.
    „Ah“, schnarrte er voller Hohn, „Sie, ein Fremder, wollen uns drohen? Beim heiligen Petrillo, das ist lächerlich! Dieser Mann spielt Theater, um vielleicht Leibarzt des Grafen zu werden; aber Seine Alteza kennen uns. Unsere Namen sind rein von allem Makel und in der Wissenschaft hoch geachtet. Hören wir doch einmal, wie der Schwärmer den Stein entfernen will!“
    „Das sollen Sie hören!“ entgegnete Sternau gelassen. „Er ist nur durch Lithothrypsis zu entfernen, und zwar vollständig gefahrlos.“
    „Lithothrypsis?“ fragte der Arzt aus Manresa. „Was ist das? Was soll das sein?“
    Sternau horchte erstaunt auf. Dann wandte er sich zu dem Grafen:
    „Erlaucht, hören Sie, welchen Leuten Sie Ihr Leben und das Glück Ihres Kindes anvertrauten? Dieser Mann hat noch nichts von Lithothrypsis gehört, von der Zermalmung und Entfernung des
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