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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Autoren: Karl May
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Operation verheimlichte, so geschah dies nur, um dir und mir jede schädliche Aufregung zu ersparen. Wo befindet sich der Pariser Arzt?“
    „Er steht hier. Es ist Doktor Carlos Sternau aus Maguncia (Mainz) in Deutschland.“
    „Hier, in diesem Zimmer?“
    „Ja“, antwortete Sternau selbst. „Ich bitte um Verzeihung, Graf, daß ich dem Ruf Ihres Kindes Folge leistete. Wenn es sich um das Leben eines Menschen, eines teuren Vaters handelt, kann nie genug geschehen.“
    Diese Worte wurden mit einer festen Stimme gesprochen, deren Ton den Blinden sympathisch zu berühren schien.
    „Haben Sie bereits einmal einer ähnlichen Operation beigewohnt, Señor?“ fragte dieser.
    „Ja!“
    Dies war ein einziges, sehr einfaches Wort, aber der Graf erhob den Kopf und sagte:
    „Señor, Sie haben einen sehr vielsagenden Ton. Sie sprachen da nur eine Silbe, aber ich höre aus derselben, daß Sie bereits sehr vielen Operationen beigewohnt und diese sogar vielleicht geleitet haben –“
    „Erlaucht haben recht gehört. Ich bin Oberarzt bei Professor Letourbier.“
    „Ah, da mußte man Vertrauen zu Ihnen haben und durfte Sie nicht zurückweisen! Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, Señor! Wollen Sie meinen Zustand einer Prüfung unterwerfen?“
    „Ich wünsche sehr, es tun zu dürfen, Erlaucht.“
    „So treten Sie mit mir ein. Die Herren Ärzte werden uns begleiten; die anderen aber ersuche ich, zurückzubleiben.“
    „Halt!“ rief da Alfonzo. „Vater, ich teile dir mit, daß ich diesem Mann die Tür gewiesen habe. Willst du meinen Befehl dementieren?“
    „Mein Sohn, du hast diesen Señor beleidigt, und ich bin ihm Genugtuung schuldig.“
    „Er hat mir sogar die Hand verwundet.“
    Da fiel Rosa ein:
    „Alfonzo schlug nach Señor Sternau, und dieser hielt ihm nur die Hand fest; das ist alles!“
    Der Graf erschrak förmlich; dann meinte er mit trauriger Miene:
    „Ist es möglich, daß ein Graf Rodriganda einen Menschen schlägt, einen Gast seiner Schwester! Das mag Sitte bei den Vaqueros (Kuhhirten) von Mexiko oder Texas sein, nicht aber in der Familie eines Granden von Spanien. Mein Sohn, du hast mich sehr betrübt!“
    Er kehrte in das andere Zimmer zurück; Sternau folgte ihm nebst den drei Ärzten.
    Alfonzo, welcher zurückbleiben mußte, raunte mit knirschenden Zähnen seiner Schwester entgegen:
    „Das werde ich dir nicht vergessen! Diesen Kuhhirten sollst du mir bezahlen müssen!“
    Er wollte die Gemächer seines Vaters verlassen, mußte aber bleiben, da Sternau vergessen hatte, die Schlüssel wieder abzugeben. Er trat an eines der Fenster; Rosa aber nahm in einem der Fauteuils Platz, ohne den Bruder weiter eines Blickes zu würdigen.
    Das Zimmer, in welches der Graf getreten war, zeigte die ganze Vorbereitung, welche zu der Operation nötig gewesen war. Über eine lange Tafel war eine Matratze gebreitet, welche dem Grafen hatte als Lager dienen sollen; daneben lagen allerlei Instrumente, und auf dem Boden standen Gefäße, um die Folgen des Schnittes aufzunehmen.
    Der Graf wandte sich an Sternau:
    „Señor, seit mir das Licht meiner Augen geraubt wurde, pflege ich den Menschen nach dem Ton seiner Stimme zu beurteilen. Die Ihrige erweckt mein vollständiges Vertrauen. Bitte, untersuchen Sie mich!“
    Der junge Mann hatte schon viele Patienten behandelt, nie aber hatte er mit den Empfindungen, welche ihn jetzt beseelten, vor einem Kranken gestanden. Dieser Mann war der Vater der von ihm so heiß und hoffnungslos Geliebten, und unwillkürlich drängten sich seine Gefühle in einem lauten und tiefen Atemzug nach oben. Der Graf vernahm denselben und fragte:
    „Hegen Sie Sorge, Señor?“
    „Nein, Erlaucht“, klang die Antwort. „Was Sie hörten, war nicht ein Seufzer der Schwäche, sondern ein Gebet zu Gott, dem Allmächtigen und Allgütigen, daß er es mir gelingen lassen möge, die Erwartungen von Contezza Rosa zu erfüllen. Meine Erfahrung ist reich, und meine Hand ist sicher; aber ich erflehe mir immer auch Gottes Segen bei jedem Werk, welches ich unternehme, einem Menschen das verlorene Glück zurückzugeben.“
    Da streckte ihm der Graf beide Hände entgegen und sagte:
    „Señor, ich danke Ihnen. Diese Ihre Worte sind ganz imstande, mein Vertrauen zu Ihnen zu verzehnfachen. Wer trotz seiner Geschicklichkeit auch auf den Beistand Gottes rechnet, der wird leisten, was dem menschlichen Können möglich ist. Beginnen Sie!“
    Sternau erkundigte sich in vielen und eingehenden Fragen nach allem, was
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