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Jungs sind keine Hamster

Jungs sind keine Hamster

Titel: Jungs sind keine Hamster
Autoren: Frank Schmeißer
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Alles wird anders
    Bom! Bom! Bom! Jemand schlug gegen meine Tür.
    „Was ist denn das für ein Lärm da oben?“ Die Stimme meiner Mutter schallte durch das Treppenhaus.
    „Die hat sich eingeschlossen und lässt mich nicht in mein Zimmer!“
    Die da behauptete, dieses, mein Zimmer, wäre ihres, war unsere putzige Jette. Ich nannte sie nur Barbie.
    „Quatsch. Ich hab ihr doch den Schlüssel abgenommen“, erwiderte meine Mutter und kam die Treppen hoch. Selbst wenn eine Horde Marathonläufer sie dabei begleitet hätte, hätte ich die Schritte meiner Mutter rausgehört. Das war auch nötig. Denn Mutter gehörte zu den Menschen, die sehr gerne ungefragt und ungebeten überall reinplatzten. Da war es von Vorteil, sie rechtzeitig zu hören. Um sich schlafend zu stellen zum Beispiel oder um so zu tun, als würde man fleißig lernen. Man kann ja schließlich nicht immer sein Zimmer abschließen.

    „Dann hat sie irgendwas vor die Tür geschoben. Auf alle Fälle macht sie nicht auf!“, empörte sich Barbie.
    Barbie oder auch Jette war meine neue, angeblich engelsgleiche Stiefschwester. Blondes Haar. Blaue Kulleraugen. Weiße Zähne wie aus einem Hollywoodfilm. Zu schön, um echt zu sein. Zu schön, um nett zu sein. Barbie war fies. Saufies. Besonders zu mir. Sie behandelte mich, als hätte ich die Pest, Cholera oder ihre Schminkutensilien gefressen. In ihren Augen war ich ein hässlicher Troll, der eigentlich unter dem Haus wohnen müsste.
    „Lass mich mal.“ Mutter war angekommen und klopfte genervt gegen die Tür. Dreimal. Und zwar schnell. Klopf! Klopf! Klopf!
    „Herein, die Tür ist offen!“, flötete ich so fröhlich wie möglich.
    „Sag ich doch“, sagte Mutter und lief gegen die verrammelte Tür. Ich lachte laut.
    „Hannah Eislage! Öffne sofort die Tür!“, befahl sie.
    Dann rüttelte sie heftig an der Klinke. Ich grinste.
    „Hannah, mach die Tür auf!“ Bom! Bom! Bom!
    Mein dicker Sessel zitterte, aber bewegte sich keinen Millimeter. Damit und mit meinem circa ein Kilo schweren Nachttisch aus Plastik hatte ich die Tür verbarrikadiert.
    „Nie im Leben! Das ist mein Zimmer!“, schrie ich und dachte darüber nach, was wohl so ein Türsteher verdiente und wie viele Zeitungen ich austragen müsste, um mir einen leisten zu können. So einen muskelbepackten, humorlosen Du-kommst-hier-nicht-rein-Riesen, der rund um die Uhr vor meiner Tür Wache hielt. Aber da ich keinen Türsteher hatte, musste ich meine Haltung zu meinem Zimmer schriftlich festhalten.
    „Außerdem habe ich meine Forderungen an die Tür geklebt. Lies sie!“, forderte ich meine Ma auf.
    So wie Martin Luther, dachte ich. Den hatten wir letztens in Reli durchgenommen. Nachdem er einen Wisch mit seinen Thesen ans Kirchentor gehämmert hatte, musste er fliehen und irgendwo im Verborgenen leben. Mir schien das eine prima Alternative zu sein. Ich hörte, wie Mutter den Briefumschlag von der Tür abriss und laut vorlas.

    Ich liebe Listen. Keine Ahnung, warum. Wahrscheinlich weil einem Listen helfen, sich auszudrücken oder sein eigenes und das chaotische Leben im Allgemeinen besser zu verstehen und zu meistern. Und den Irrsinn zu sortieren. Irgend so etwas.
    „Hör auf, mich Barbie zu nennen, du blöde Ziege!“, brüllte Jette sauer.
    „Na, na, lass mal gut sein, Jette. Das führt doch zu nichts“, versuchte Hannes seine Tochter zu beruhigen. Hannes ist der neue Freund meiner Mutter. Und der war heute mit Sack und Pack, hässlichen Möbeln, nerviger Tochter und coolem Sohn bei uns eingezogen. Und deshalb flogen überall in unserem alten Haus fremde Klamotten, Bücher und unnützer Krempel rum. In unserem Flur hatten sie mit Umzugskisten und Kartons sogar die Alpen nachgebaut. Da war an Drüberkommen ohne Sauerstoffmaske und Rettungsseil nicht zu denken. Furchtbar. Als ob die alte Bruchbude nicht schon dank unserer hässlichen Sachen schäbig genug aussah. Jetzt müllten auch noch Fremde das Haus voll. Ganz grausam fand ich das. Und gefragt hatte mich natürlich auch niemand, ob die bei uns einziehen durften. Das hatte meine Mutter ganz alleine entschieden. Genauso wie sie mit der Aushilfsbarbie Jette heimlich ausgekungelt hatte, dass sie mein Zimmer kriegen sollte. Angeblich, weil nur mein Zimmer groß genug für Jette und ihre hochtrabenden Pläne war. Jette wollte Model werden und dafür benötigte sie natürlich ein Zimmer, das genug Platz bot, um affig Rumstolzieren zu üben. Daher sollte ich, der Modemuffel und Zwerg, in ein Loch
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