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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen
Autoren: Karl May
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sich befindet?“
    Ich untersuchte den Boden sorgfältig. Das Pferd war angepflockt gewesen und hatte die halbdürren Büschel des Präriegrases abgefressen; der Reiter hatte am Boden gelegen und mit dem Köcher gespielt. Dabei war ihm der Schaft eines Pfeils zerbrochen, und er hatte die beiden Bruchstücke ganz gegen die gewöhnliche Vorsichtigkeit der Indianer liegenlassen. Ich hob sie auf, um sie zu betrachten. Es war kein Jagd-, sondern ein Kriegspfeil gewesen.
    „Er befindet sich auf dem Kriegspfad; aber er ist noch jung und unerfahren; denn sonst hätte er die verräterischen Stücke versteckt, und die Spuren seines Fußes sind nicht die eines erwachsenen Mannes.“
    Winnetou gab durch einen beifälligen Laut seine Zufriedenheit kund. Bei unserer ersten Begegnung war er mir sozusagen Lehrer gewesen und hatte mich gewöhnt, auf die unscheinbarste Kleinigkeit zu achten, da dies bei den vielfältigen Gefahren der Prärie unumgänglich notwendig ist. Jetzt nun benutzte er jede Gelegenheit, um zu erfahren, ob seine Lehren von Erfolg gewesen seien.
    Ein Blick auf die weiterlaufenden Eindrücke genügte, uns zu zeigen, daß der Mann erst vor kurzem den Platz wieder verlassen habe; denn die Kanten derselben waren noch scharf, und die gestreiften oder zerdrückten Halme hatten sich noch nicht vollständig wieder erhoben. Winnetou breitete seine Decke aus und streckte sich, nachdem er das Pferd gefesselt hatte, auf dieselbe nieder.
    Ich folgte ihm und zog zwei Zigarren aus der Seitentasche meines Jagdhemdes. Es waren die letzten von einigen Dutzend, welche ich vor mehreren Wochen in Provo mitgenommen hatte. Sie waren für eine besondere Gelegenheit stecken geblieben; da sich aber nichts dergleichen einzustellen schien, so konnten sie ebensogut auch jetzt verraucht werden.
    Mit sichtbarer Begierde griff der brave Indianer zu, als ich ihm eine derselben hinreichte, und wer die Enthaltsamkeit kennt, welche der Westen einem jeden auferlegt, der wird ahnen, mit welcher Wonne wir uns dem seltenen Genuß hingaben, ich, die blauen Ringeln mit innigem Behagen ausblasend, Winnetou aber, den Rauch nach Indianerweise erst hinunterschluckend und dann durch die Nase von sich gebend.
    So verging eine geraume Zeit, während welcher kein Wort gewechselt wurde. Schweigsamkeit gehört selbst unter Gefährten zur Haupttugend, und ich beabsichtigte keineswegs, mir durch unzeitige Sprachseligkeit die Freundschaft und Achtung meines Begleiters zu verscherzen.
    Endlich, nachdem die Zigarre längst verraucht und der letzte Rest derselben dann hinter den Lippen des Indianers verschwunden war, erhob er sich, und in kurzer Zeit ritten wir wieder, den Körper tief herabgebeugt und das forschende Auge am Boden, nebeneinander her.
    Unsere Schatten wurden länger und länger; der Abend begann zu dunkeln, und wir waren nun gezwungen, abzusteigen, wenn wir die Fährte nicht verlieren wollten. Aber ehe ich vom Pferd stieg, griff ich zum Fernrohr, um die Ebene vorher noch einmal abzusuchen.
    Wir hielten grad auf einer der zahlreichen, wellenförmigen Erhebungen, welche sich in jenem Teil der Prärie wie die Wogen eines erstarrten Meeres aneinander legen, und es war mir deshalb ein ziemlich freier Ausblick gestattet.
    Kaum hatte ich das Glas am Auge, so fiel mir eine lange, gerade Linie auf, welche sich von Osten her längs des nördlichen Horizonts bis zum entferntesten westlichen Punkt hinzog. Voll Freuden gab ich Winnetou das Rohr und zeigte ihm die Richtung an, in welche er es zu führen hatte. Nachdem er einige Zeit hindurchgesehen, zog er es mit einem neugierigen „Uff“ wieder ab und blicke mich mit fragendem Ausdruck an.
    „Weiß mein Bruder, was für ein Pfad das ist? Es ist nicht der Weg des Buffalo, auch hat ihn nicht der Fuß des roten Mannes ausgetreten.“
    „Ich weiß es. Kein Büffel kann die Strecke laufen, welche dieser Pfad durchläuft, und kein Indsman (Indianer) vermag, ihn durch die Prärie zu ziehen. Es ist der Pfad des Feuerrosses, welchen mein Bruder heut' noch sehen wird.“
    Rasch hob er das Rohr wieder empor und betrachtete mit regem Interesse den durch die Linsen nahegerückten Schienenstrang. Plötzlich aber sah ich einen Zug der Überraschung über sein ausgewettertes Gesicht gehen, und im nächsten Augenblick war er abgesessen und zog sein Pferd raschen Laufes hinunter in das Wellental.
    Natürlich mußte dieses Beginnen einen sehr triftigen Grund haben, und ich ahmte deshalb sein Verhalten ohne Verzug nach.
    „Da
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