Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
wenigstens scheint Ihr mir gut genug für diesen Ort hier. Und ich?“
    „So la la! An dem ganzen Mann ist das Pferd das beste.“
    „Ihr seid eine Dame, folglich habt Ihr recht. Überhaupt hat mich Eure Gegenwart hier mitten in der Prärie so perplex gemacht, daß ich nicht die nötigen Worte finde, um Euch einen besseren Begriff von meiner Schönheit beizubringen.“
    „Mitten in der Prärie? So seid Ihr wohl fremd hier?“
    „Welche Frage – in der Wildnis!“
    „Folgt mir, so sollt Ihr sehen, wie groß diese Wildnis ist.“
    Sie wandte sich der Richtung zu, welche ich verfolgt hatte, und ließ ihr Pferd vom langsamen Schritt durch alle Gangarten bis zum gestreckten Galopp übergehen. Swallow folgte mit Leichtigkeit, trotzdem wir vom grauenden Morgen an unterwegs gewesen waren. Ja, das brave Tier schien zu bemerken, daß es sich hier um eine kleine Probe handle, und griff ganz freiwillig in der Weise aus, daß die Reiterin zuletzt nicht mehr zu folgen vermochte und mit einem Ausruf der Bewunderung ihr Tier parierte.
    „Ihr seid außerordentlich gut beritten, Sir. Ist Euch der Hengst feil?“
    „Um keinen Preis, Mistreß.“
    „Laßt das Mistreß fort.“
    „Dann Miß, ganz wie es Euch beliebt. Das Pferd hat mich aus so mancher Gefahr hinweggetragen, so daß ich ihm mehr als einmal mein Leben verdanke und es mir also unmöglich feil sein kann.“
    „Es hat indianische Dressur“, sagte sie mit scharfem Kennerblicke. „Wo habt Ihr es her?“
    „Ich erhielt es von Winnetou, einem Apachenhäuptling, mit welchem ich am Rio Suanca ein weniges zusammenkam, zum Geschenk.“
    „Von Winnetou? Das ist ja der berühmteste und gefürchtetste Indianer zwischen Sonora und Columbien! Ihr seht gar nicht nach einer solchen Bekanntschaft aus, Sir.“
    „Warum, Miß?“ fragte ich mit offenem Lächeln.
    „Ich hielt Euch für einen Surveyor (Feldmesser) oder etwas Derartiges, und diese Leute sind zwar oft recht gute Schützen, aber sich mitten zwischen Apachen, Nijoras und Navajos hineinzuwagen, dazu gehört schon ein wenig mehr. Eure blanken Revolver, das zierliche Messer da im Gürtel und die Weihnachtsbüchse dort am Sattelriemen, oder gar noch Eure Paradehaltung auf dem Pferd stimmen wenig mit dem überein, was man an einem echten und rechten Trapper oder Scatter zu bemerken pflegt.“
    „Ihr sollt wieder recht haben, und ich gestehe offen, daß ich auch nur so eine Art Sonntagsjäger bin; aber die Waffen sind nicht ganz schlecht. Ich habe sie in Front-Street, St. Louis, gekauft, und wenn Ihr auf diesem Feld so zu Hause seid, wie es scheint, so müßt Ihr auch wissen, daß man dort für gute Preise auch gute Ware bekommt.“
    „Diese Ware aber zeigt ihre Güte erst beim rechten Gebrauch. Was sagt Ihr zu dieser Pistole?“
    Sie zog bei diesen Worten ein altes, verrostetes Schießinstrument aus der Satteltasche und hielt es mir zur Besichtigung hin.
    „Hm, das Ding stammt jedenfalls noch von Anno Poccahontas her; aber es kann doch gut sein. Ich habe Indianer oft mit dem miserabelsten Schießzeug zum Verwundern umgehen sehen.“
    „Haben sie auch das fertiggebracht?“
    Sie warf das Pferd zur Seite, schlug im raschen Trab einen Kreis um mich, hob den Arm und drückte auf mich los, ehe ich nur eine Ahnung von ihrer Absicht haben konnte.
    Ich fühlte einen leisen Ruck an meiner Kopfbedeckung und sah zu gleicher Zeit die Helianthusblüten, welche ich mir an die Mütze gesteckt hatte, vor mir niederfliegen. Es schien mir ganz, als wolle die sichere Schützin sich darüber informieren, was von meiner Sonntagsjägerei zu halten sei, und ich antwortete also auf die ausgesprochene Frage kaltblütig:
    „So etwas bringt jeder fertig; aber ich bitte denn doch ganz höflich, Miß, die Mütze von jetzt an in Ruhe zu lassen, da zufälligerweise mein Kopf drinnen steckt.“
    Sie lachte laut und hielt sich wieder an meiner Seite. Die ganze Begegnung kam mir wie ein Traum vor, und hätte ich früher vielleicht etwas Ähnliches in irgendeinem Roman gelesen, so wäre der Verfasser ganz gewiß in den Verdacht gekommen, Unmögliches als möglich darzustellen. Jedenfalls, das war klar, mußte eine Ansiedelung in der Nähe sein, und da seit längerer Zeit der Kriegspfad keines der wilden Stämme in diese Gegend geführt hatte, so konnte es selbst eine Dame immerhin wagen, ein Stückchen in die Ebene hinein zu reiten.
    Nicht so klar war es mir, was ich eigentlich aus meiner Begleiterin machen sollte. Ihre ganze Erscheinung deutete auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher