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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen
Autoren: Karl May
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noch ohne Lebensgefahr zu passieren. Wollt Ihr mitkommen?“
    Rasch schnellte ich mich aus dem Sattel, um ihr beim Absteigen behilflich zu sein. Aber ich kam zu spät, denn schon stand sie mit aufgenommenem Kleid vor mir und rief mit goldenem Lachen:
    „Danke! Man gewöhnt sich hier, dergleichen Aufmerksamkeiten nicht zu beanspruchen. Nehmt Euer Tier an die Hand.“
    „Swallow kommt von selbst nach, Miß; erlaubt mir das Eurige.“
    Ich ergriff die Zügel der Stute, und während mein Mustang ohne besondere Aufforderung nachfolgte, hatte ich Gelegenheit, an der Vorangehenden die Gewandtheit und Sicherheit des Schrittes zu bewundern. Diese Übung hatte sie sich ganz bestimmt nicht im Institut aneignen können, und mein Interesse an dem wundervollen Wesen wuchs von Minute zu Minute.
    Auf der Sohle des Tals angekommen, bestiegen wir die Pferde wieder und hielten in raschem Tempo auf den Store zu.
    „Forster steht unter der Tür, er wird mich wohl nicht vorüber lassen.“
    Der Bezeichnete war eine lange, hagere Gestalt mit echter Yankeephysiognomie.
    „Stop, Ellen; hier wird abgestiegen! In welche Gesellschaft bist du denn da geraten?“
    Es lag in Ton und Wort nicht die mindeste Höflichkeit für mich, und ebenso bekümmerte er sich nicht im mindesten um das Mädchen, sondern trat sofort zu meinem Pferd.
    „Hm – hm – hab's gleich von weitem bemerkt – hm – hm – das Tier muß man kaufen – was meint Ihr, Fenders?“
    Der Angeredete war ein Mann mit vertrunkenen Gesichtszügen und jedenfalls ein Irländer. Ich vermutete den Wirt in ihm, schritt aber, ohne die beiden weiter zu beachten, dem Mädchen nach, welches in den Vorraum gegangen war. Sie empfing mich mit den Worten:
    „Wenn Ihr das Pferd ja verkauft, so laßt es mir; ich zahle Euch dasselbe wie Forster.“
    „Welches Pferd?“ riefen einige Leute, welche am Tisch standen, und traten, nachdem sie einen Blick durch das Fenster geworfen hatten, hinaus, worauf sich ein lebhafter Wortwechsel draußen erhob, am Schluß dessen Forster Miene machte, das Pferd zur Probe zu besteigen. Ich öffnete das Fenster.
    „Swallow!“
    Das folgsame Tier schüttelte den Zudringlichen mit einem jähen Seitensprunge ab und kam herbei. Ich band die Zügel an das Fensterkreuz.
    „Glaubt Ihr, daß ich Euch das Pferd stehlen will, Herr?“ fuhr mich der Abgeworfene an. „Ich werde es kaufen und kann also wohl auch einmal aufsitzen. Gebt her!“
    „Ich denke, es Euch noch nicht angeboten zu haben, Sir. Der Hengst ist müde; laßt ihn in Ruhe!“
    „Oho! Ihr scheint ja ein ganz resoluter Junge zu sein. Man muß Euch wirklich einmal näher ansehen!“
    Er wandte sich nach der Tür und trat an der Spitze der übrigen in das Zimmer. Nach einem kurzen Blick auf mich, meinte er mit geringschätzendem Schütteln des Kopfes:
    „Würde Euch auch besser stehen, hübsch artig zu sein! Scheint mir ganz, als ob Ihr ein gutes Handgeld gebrauchen könntet.“
    „Ist nicht Eure Sache, Mann, sondern die meinige. Werde mit meinen Angelegenheiten schon selbst fertig!“
    „Good lack, klingt das wichtig! Doch will ich verständig sein und Euch hundertfünfzig Dollars bieten.“
    „Ist mir nicht feil, das Pferd.“
    „Hundertfünfundsiebzig!“
    „Ist mir nicht feil!“
    „Zweihundert, aber nicht fünf Cents mehr.“
    „Ist mir nicht feil, zum dritten Male; und nun laßt mich in Ruhe!“
    „Ihr seid ein Grobian, der froh sein sollte, wenn ein Gentleman ihm zu einem ganzen Zeug verhilft. Wißt Ihr das?“
    „Pah!“
    Ich begnügte mich, diesen einen Laut auszusprechen, trotzdem ein anderer jedenfalls zur Waffe gegriffen hätte.
    Meine Meinung über das Duell, über Beleidigung und Genugtuung waren eben nicht die landläufigen, und wer daheim arme, alte Eltern hat, welche ihre ganze Hoffnung allein nur auf ihn gesetzt haben, der setzt sein Leben nur dann ein, wenn es sich um Würdigeres als die Fausthöflichkeit eines Hinterwäldlers handelt. Freilich mußte mich diese Selbstbeherrschung in den Verdacht eines Feiglings bringen; aber das Urteil dieser Leute konnte mir ja sehr gleichgültig sein.
    Ein Wesen gab es allerdings, dessen Meinung mich nicht empfindungslos lassen konnte, und das war Ellen, wie sie von Forster genannt worden war. Sie hatte unserem kurzen Wortwechsel eine gespannte Aufmerksamkeit gewidmet und jedenfalls ganz bestimmt erwartet, daß ich losbrechen werde. Als das aber nicht geschah, sah ich einen Zug der Enttäuschung über ihr schönes Angesicht gehen, und
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