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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen
Autoren: Karl May
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benachrichtigt. Man hatte von der Station sofort einen Boten abgeschickt, und auch Thomas war gekommen, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen. Es litt sie nicht länger in dem Zimmer. Sie ließ anspannen und fuhr nach dem Bahnhof, um die Ankommenden dort zu erwarten. Es war ihr heute so recht klar geworden, wie lieb ihr das Stiefkind eigentlich sei, und sie nahm sich vor, diese Liebe von jetzt an rückhaltlos und im vollsten Maße über Wanda auszuschütten.
    Auch Säumen war es bei der Nachricht leichter um das Herz geworden. Der Professor war jedenfalls von hoch oben herabgestürzt. Wer weiß, an welchem Ort und in welchem Zustand er dalag, ja, ob er überhaupt gefunden werden konnte. Mit ihm war dann der gefährlichste Zeuge verschwunden, und selbst wenn man ihn fand, durfte der Baron in Beziehung des gefährlichen Papiers doch auf irgendeinen glücklichen Umstand rechnen. Der Zufall war ihm bisher ja immer günstig gewesen und hatte ihn aus so mancher schlimmen Lage befreit.
    Da hörte man von der Stadt her weitschallenden Marschschritt, der unter Musikklängen sich dem Bahnhof näherte. Es waren die schnell versammelten Sänger, an deren Spitze der Schmied marschierte, den mit bunten Quasten und goldenem Knauf versehenen Kapellmeisterstock schwingend.
    Sein breites, ehrliches Gesicht glänzte vor Freude, und als er jetzt nach dem Perron einlenkte und an der Baronin vorüberschritt, nickte er ihr wohlgemut zu und vollführte mit dem Stock eine Windmühlendrehung, die ihn fast um seine stattliche Haltung gebracht hätte. Dann gab er mit hoch erhobenem Arm das Zeichen zum Schweigen und kommandierte mit dröhnender Stimme:
    „Bataillon – – – halt! Rrrrechts – – – umgedreht! So! Und nu bleibt ihr stehen und rührt euch nich, bis der Zug kommt. Nachher aber könnt ihr meinetwegen springen, so hoch ihr wollt und dazu rufen und schreien, so laut ihr wollt. Und wer nich weeß, was er sagen soll, der mag rufen: Fife Lamperöhr! Das klingt halt schön und macht Spektakel, und dazu muß die Musik blasen, was das Zeug hält, immer fest drauf. Und wenn ihr eure Sache gut macht, so gebe ich een Faß Lagerbier zum besten, und andere Leute werden ooch noch een paar Flaschen drauf geben. Habt ihr's verstanden?“
    Alles lachte. Zwar ließ die Subordination sehr viel zu wünschen übrig; aber die Rede hatte Eindruck gemacht, und als der Zug heranbrauste, konnte man das Rollen seiner Räder nicht hören vor den Jubelrufen der Anwesenden. Unbekümmert um die Menge der Umstehenden nahm die Baronin die wiedergegebene Tochter in ihre Arme und liebkoste sie in überwallender Zärtlichkeit. Winter aber wurde sofort von den Männern in Beschlag genommen und aufgefordert, sein Abenteuer zu erzählen. Er tat es mit den notwendigen Abänderungen und machte sich dann los, um zu der Tante zu kommen, die auch ihn mit Sehnsucht erwartete. Wanda hatte ihr in aller Eile mitgeteilt, was er alles für sie getan und gewagt, und die alte Dame wollte schier stolz werden bei dem Gedanken, daß dieser Mann ihr Neffe sei.
    Unter diesen Vorgängen war es spät geworden, so daß man beschloß, hier zu bleiben und erst am folgenden Tag nach Hause zurückzukehren. Im Hotel angekommen, sollte Emil auch hier seinen Bericht abgeben; aber er wehrte diese Forderung von sich ab.
    „Darf ich meine Mitteilungen nicht bis zu einer ruhigeren Stunde aufschieben, liebe Tante? Wir haben des Schrecklichen heute so viel gehabt, daß uns selbst die Erinnerung daran noch aufregen muß.“
    „Emil hat recht, Mama. Du bist heute so lieb und schonend gegen mich; bitte, sei auch nachsichtig gegen ihn. Er hat sich fast über menschliche Kraft angestrengt und bedarf der Ruhe.“
    „Wahr ist's, was du sagst, und ich werde wohl vergebens über die Art und Weise nachsinnen, wie ich ihn würdig belohnen kann.“
    „Was das betrifft, Tante, so habe ich mir einen Lohn ausgewählt, der jedenfalls viel zu groß ist für das, was mir nur der Zufall zu tun erlaubte. Schau her!“ Er legte den Arm um die schöne Cousine, zog sie an sich und drückte seine Lippen küssend auf ihre Stirn.
    „Was willst du damit sagen, Emil? Der Herr Baron –“
    „Wird mir seine Rechte abtreten, was ich sofort beweisen werde“, fiel Emil ihr ins Wort. Er griff in die Tasche und wandte sich zu Säumen:
    „Der verunglückte Professor hat die Unvorsichtigkeit begangen, ein Papier auf mich zu vererben, welches ich hiermit meinem Bruder mit der Bitte übergebe, damit nach seinem polizeilichen
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