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306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens
Autoren: Jo Zybell
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zogen Handkarren, auf denen Äxte und Sägen lagen, andere hatten sich Körbe auf den Rücken gebunden. Sie grüßten die vermeintlichen Hirten und die grüßten zurück.
    Am freundlichsten grüßte Hoss, dem so schnell keiner etwas vormachte, wenn es um die Schauspielkunst ging. Er flötete Segenswünsche nach links und rechts, ging sogar vor einem kleinen Mädchen in die Hocke, um ihr das Kinn zu kraulen. »Bist du schon so groß, dass du mit deiner Mutter zum Pilze suchen gehen darfst?« Die Kleine nickte und lächelte voller Stolz.
    Im Burghof dann pries einer von Hoss’ Männern den Wachen die Wakudas als Schlachtvieh an. Bald kam der Koch aus der Burg, um mit den vermeintlichen Hirten über den Preis zu verhandeln. Das zog sich hin.
    Hoss verwickelte eine der Wachen in ein Gespräch. Sie schimpften auf das Wetter, rühmten die gute Pilzernte dieses Jahres, und Hoss zeigte dem anderen seinen Wakudaschädel und schwärmte dabei von seiner Lieblingskuh, die zu verkaufen er nie übers Herz gebracht habe. »Und dann iss das arme Vieh in eine Schlucht gestürzt. Ich werde ihren Schädel bis ans Ende meiner Tage mit mir herumtragen.«
    Er gestattete dem Wachmann, sich den Schädel überzustülpen. Dem machte das Spaß, und er senkte die Hörner und griff zum Scherz einen seiner Kameraden an. Unterdessen dauerten die Verhandlungen an, denn wie Hoss seinen Leuten eingeschärft hatte, verlangten sie einen überhöhten Preis für den Leitbullen.
    Der Wachmann zog sich den Wakudaschädel vom Kopf und gab ihn Hoss zurück. »Die Latrinen sind dort vorne rechts, wenn ich mich recht erinnere?« Hoss deutete aufs Geradewohl zu den Schafställen der Burg.«
    »Nein, Wakudakopf.« Der Wächter deutete nach links zu einem Nebengebäude, in dem die Werkstätten und die Schmiede untergebracht waren. »Da lang geht’s zum Scheißen.«
    Hoss bedankte sich und zog los. Von der Latrine aus spähte er den Hinterhof aus. Eine Frau verließ das Hauptgebäude der Burg durch eine Hintertür. Sie trug eine Schüssel mit Abfällen zum Hühnerstall.
    Hoss wartete, bis sie darin verschwunden war. Dann huschte er aus der Latrinen über den Hof und durch die Hintertür in die Burg. Von Meister Chans Spionen wusste er über die Lage der Räume einigermaßen Bescheid. Mühelos hätte er zum Schlafzimmer des Königs, zum Empfangssaal oder zu den Waffenkammern gefunden. Auch wo die Schlafzimmer der wichtigsten Leute der Burg lagen, wusste er.
    Zum Beispiel das Schlafzimmer von Nimuee, der engsten Vertrauten des Mannes, der sich vor wenigen Jahren hier niedergelassen und »König von Schottland« genannt hatte.
    Hoss fand die Tür im ersten Obergeschoss ohne Schwierigkeiten. Er lauschte und hörte eine Frauenstimme eine Melodie summen. Und nun? , fragte er sich, während er ein Wolltuch mit dem Betäubungsmittel tränkte. Er hatte die Situation in Gedanken ein paar Mal durchgespielt, doch außer einem Überraschungsangriff war ihm noch nicht viel eingefallen. Jetzt aber folgte er einer spontanen Eingebung.
    Er stülpte sich den Wakudaschädel über, klopfte und trat ein, als die Frauenstimme jenseits der Tür »herein« rief. »Der König schickt mich. Ich soll Euch fragen, wie euch diese Maske gefällt.«
    Die Frau namens Nimuee betrachtete ihn im Waschtischspiegel vor dem sie saß, um sich zu frisieren und zu schminken. In ihrer Miene hielten sich Überraschung, Ärger und Belustigung die Waage. Die Überraschung überwog allerdings nach und nach und ging in Misstrauen über. Schließlich drehte sich um und sah ihn an. »Wieso kenne ich deine Stimme nicht?«
    Hoss schloss die Tür hinter sich. »Weil ich noch ziemlich neu hier bin.« Er stürzte sich auf sie, riss sie von ihrem Stuhl zu Boden und drückte ihr das Wolltusch gegen Nase und Mund; solange, bis ihre heftig strampelnden und rudernden Glieder erschlafften.
    Danach zog er den Wakudaschädel ab, stülpte ihn Nimuee über und fesselte sie an Beinen und Armen.
    Mit einem weißen Taschentuch aus ihrem Schrank huschte Hoss zum Fenster. Von dort aus konnte er den Burghof einsehen. Die kleine Wakudaherde stand noch immer zwischen Tor und Haupteingang und der Exekutor, den er dazu ausgesucht hatte, verhandelte noch immer über den Preis des Leitbullen.
    Hoss öffnete das Fenster einen Spalt weit, streckte die Hand bis zum Gelenk hinaus und tat, als würde er das weiße Tuch ausschütteln. Einer seiner Leute hatte den Auftrag, das Fenster genau zu beobachten.
    Dieser Exekutor nahm seine Aufgabe
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