Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
genau so ernst, wie Hoss es erwartet hatte, denn plötzlich schlug der Leitbulle aus und galoppierte wie außer Rand und Band durch den Burghof. Auch die anderen Tiere gerieten in Panik, blökten und versuchten über die Zugbrücke zu fliehen.
    Einer seiner Exekutoren hatte dem Stier einen Knochensplitter in die Flanken gerammt. Hoss wartete nicht, bis die Wächter, der Koch und die vermeintlichen Hirten die Tiere wieder eingefangen hatten – er packte Nimuee, ließ sie am Seil aus dem Fenster und kletterte hinterher. Dabei verließ er sich auf die Neugier der menschlichen Gattung im Allgemeinen und auf das Geblöke und Geschrei, das Wakudas und ihre Häscher im Burghof veranstalteten, im Besonderen.
    Offenbar zu Recht, denn niemand entdeckte ihn, als er mit seiner menschlichen Beute durch den Burggraben tauchte und sie auf der anderen Seite in die Böschung zerrte.
    ***
    Dauerregen hatte den Fahrweg aufgeweicht. Im ersten steileren Anstieg des bergigen Geländes blieb der Jeep stecken. Vergeblich versuchten Rulfan, sein Vater und die beiden Männer aus Guernsey, das Fahrzeug aus dem Schlamm zu ziehen.
    Sie warteten die Nacht ab. Rulfan saß schlaflos im Fahrersitz, dachte an Myrial, dachte an das Kind, das er noch nie gesehen hatte und versuchte, sich jedes Gebirgsdorf in der Umgebung von Canduly Castle in Erinnerung zu rufen. Eine kleine Siedlung fiel ihm ein, einen knappen Tagesritt von der Burg entfernt. Hinter den Hütten dort hatte er vor zwei Jahren einmal eine Koppel mit Horsays gesehen.
    Am nächsten Morgen lud sich jeder auf den Rücken, was er tragen konnte. Danach brachen sie auf und ließen den Jeep zurück. Anderthalb Tage lang marschierten sie durch Flusstäler und Berghänge, bis sie Siedlung erreichten. Die Leute dort erkannten Rulfan, nahmen ihn und seine drei Begleiter freundlich auf.
    »Gibt es Neuigkeiten aus Canduly Castle?«, erkundigte Rulfan sich während des Abendessens.
    »Wir haben lange nichts mehr gehört«, beschied ihm der Hausherr. »Ward Ihr denn tatsächlich solange fort? Anfang des Jahres kamen Jäger hier vorbei, die berichteten von der Geburt eines Jungen. Doch das wisst Ihr bestimmt.«
    »Wer hat ihn geboren?« Rulfan Herz machte einen Sprung. »Die Burgherrin?«
    »Aber ja! Ihr wisst noch gar nichts von Eurem Glück, Herr?«
    Natürlich wusste Rulfan nichts, woher auch? Er fand kaum Schlaf in der folgenden Nacht, so glücklich war er. Dass man seit Jahresbeginn nichts mehr von der Burg gehört hatte, beunruhigte ihn nicht. Nur schlechte Nachrichten verbreiteten sich schnell.
    Am nächsten Morgen weckte er seinen Vater und die Männer aus Guernsey noch vor Sonnenaufgang. Sie mussten im Sattel essen und trinken, so eilig hatte Rulfan es auf einmal.
    In der Abenddämmerung des nächsten Tages kamen die Türme Canduly Castles in Sicht. »Wartet ein Weilchen hier«, sagte Rulfan und schwang sich aus dem Sattel. »Ich will zu Fuß vorausgehen, auf einem Schleichweg, damit die Wächter mich nicht sofort sehen und melden. Es soll eine Überraschung für Myrial werden.«
    Sir Leonard war einverstanden und Rulfan machte sich zu Fuß auf den restlichen Weg.
    Der Pfad, den er nahm, führte von der Ostseite her zur Rodung, die den Burggraben umgab. Die Zugbrücke hatten die Wächter bereits hochgezogen, was für diese Tageszeit noch nichts Ungewöhnliches war. Allerdings fielen Rulfan die schwarzen Umhänge auf, die er auf dem Wehrgang über dem Tor an den Schultern der Wächter im Wind flattern sah.
    Seit wann trugen seine Leute schwarze Kleider?
    Einer Warnung seiner inneren Stimme folgend, schlich Rulfan von nun an lautlos und in geduckter Haltung weiter. Bald hörte er Stimmen, und kurz darauf sah er die Männer, die sich unterhielten: Einer saß auf dem untersten Ast eines Baumes am Rande der Lichtung, der andere lehnte gegen den Stamm und schnitzte an einem Stück Holz herum.
    Beide waren in schwarzes Leder gekleidet, beide trugen schwarze Umhänge und über den Schultern genau die Art von Gewehren, die Rulfan schon bei den Fischern aufgefallen war, die seine Fregatte angegriffen hatten. Dem am Stamm lehnenden Bursche hing außerdem ein Kampfstab an der Hüfte.
    Exekutoren! Kein Zweifel.
    Geräuschlos lauerte Rulfan im Unterholz. Er fing ein paar Satzfetzen des Gespräches der Männer auf. Es ging um die bevorstehende Rückkehr ihres Chefs, um ein Schiff in der irischen See und um das Essen, das die Frauen in der Burg an diesem Abend zubereiteten. Auch ein paar Zoten über die Frauen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher