306 - Ein Hort des Wissens

wieder auf die Spitze treiben wollte, gab er nach.
    »Bitte übernehmen Sie das Kommando hier, Gonzales«, bat er den marsianischen Offizier. »Wakuda und Holzwagen stehen und hier nicht zur Verfügung, wir werden wohl dreimal fahren müssen, bis wir das gesamte Material in die Berge zu meiner Burg transportiert haben. Sobald der Schlepper fertig ist, setzen Sie bitte die erste Fuhre in Marsch und organisieren Sie die Bewachung der zurückbleibenden Ladung.«
    »Und Sie?«, erkundigte sich Gonzales.
    »Ich breche mit meinem Vater und zwei Männern aus Guernsey in Meinharts Jeep auf. Ich muss unbedingt nach meiner Frau sehen.« Er schluckte die fiebrige Erregung herunter, die ihn befallen hatte, seit sie an der Küste entlang manövrierten. »Und unser neugeborenes Kind.«
    »Verstehe.« Gonzales nahm das Lasergewehr von der Schulter und reichte es dem Albino. »Nehmen Sie das hier mit, Rulfan. Wenn man schon auf dem Meer einem großen Schiff wie der Eibrex IV auflauert, wer weiß, was Ihnen dann erst mit dem kleinen Fahrzeug in der Wildnis blüht.«
    Dankbar nahm Rulfan die Waffe an. Am nächsten Morgen beluden Sir Leonard und er den Jeep bis an seine Belastungsgrenze und brachen mit zwei weiteren Männern nach Nordwesten in die Berge auf.
    ***
    »Mir scheint, ich habe einen Fehler begangen Bruder Zing.« Meister Chan wies auf den Stuhl drei Schritte vor seinem Sitzkissen. »Nehmen Sie doch Platz, bitte.«
    Der kleine, schlitzäugige Mann in dem gelben Gewand setzte sich, deutete eine Verneigung an und lächelte.
    Bruder Zing gehörte zu den sogenannten Erleuchteten des Inneren Kreises . Er war der oberste dieser erlauchten Bruderschaft und in dieser Position nicht nur für Meister Chans Leibgarde zuständig, sondern auch während der Abwesenheit eines Chefexekutors der Befehlsvermittler zwischen dem Meister und seinem Tötungskommando. Davon abgesehen betrat niemand ohne Bruder Zings ausdrückliche Erlaubnis die verbotene Zone der Katakomben von Eibrex.
    »Ich hatte Rulfan von Canduly Castle für einen Verräter gehalten. Das war ein Fehler.«
    Keine Tür mit Sprechgitter verbarg Meister Chans Gestalt vor dem gelb gewandeten Erleuchteten. Bruder Zing zeigte er sich in der goldenen Lächelmaske und dem golddurchwirkten dunkelblauen Umhang der Reenschas.
    »Ich würde das nicht gleich einen ›Fehler‹ nennen, Meister Chan.« Bruder Zing lächelte sehr milde. »Lieber einem Mann zu viel misstrauen als einem Mann zu wenig.«
    »So ist es, Bruder Zing, genauso ist es.« Wie immer fühlte Meister Chan sich bestens verstanden vom Obersten der Erleuchteten. »Nur müssen jetzt die Folgen dieses berechtigten aber glücklicherweise unnötigen Misstrauens korrigiert werden.«
    »Ein sehr weiser Gedanke, Meister Chan.« Bruder Zing lächelte unentwegt sein erleuchtetes Lächeln. »Ich nehme an, es geht Euch um das Vertrauen jenes Albinos. Wie heißt er gleich?«
    »Rulfan. Und während Alastar in betrügerischer Absicht nach Agartha flog, scheinen Rulfans Motive lauter gewesen zu sein. Wie es aussieht, gelang es dem alten Schlitzohr Alastar sogar, den Albino zu betrügen. Sie wissen ja, dass ich Rulfan immer für einen viel versprechenden Partner gehalten habe. Leider habe ich vorsorglich seine Burg erobern lassen.«
    »Wie bedauerlich. Ob er uns das nachsehen wird?«
    »Eher nicht, denn es kamen etliche Burgbewohner ums Leben. Zu allem Überfluss griffen unsere Exekutoren auch noch das Schiff an, auf dem er anzureisen beliebte. Dass es sich herbei um ein Versehen handelte, macht die Sache nicht besser; wir erwarteten Rulfan und Alastar in einem Luftschiff, wie Sie wissen. Alastar ist tot und Rulfan nun vermutlich kaum noch bereit, ein Bündnis mit uns aufrecht zu erhalten.«
    »Es sei denn, wir liefern ihm hieb- und stichfest Argumente.« Ein listiger Ausdruck mischte sich in Bruder Zings Lächeln. »Wie ich Euch kenne, habt ihr längst einen Plan, Meister Chan.«
    »So ist es, mein lieber Bruder Zing, genau so ist es, und um Ihnen diesen Plan zur letzten Prüfung vorzulegen, habe ich Sie zu mir rufen lassen.« Meister Chan beugte sich vor, senkte die Stimme und begann dem Mann in Gelb, seinen Plan zu erläutern. Dazu musste er nicht allzu viele Worte machen.
    »Ein sehr guter Plan, Meister Chan!« Voller Bewunderung verneigte Bruder Zing sich vor dem Reenscha. »Wenn er gelingt, wird Rulfan von Canduly Castle wieder unerschütterlich auf unserer Seite und einem dauerhaften Bündnis nichts mehr im Wege stehen.«
    »Danke