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306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens
Autoren: Jo Zybell
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für Ihr Urteil, Bruder Zing«, sagte Meister Chan. »Dann senden Sie nun die vereinbarte Nachricht an den Adjutanten des stellvertretenden Chefexekutors und lassen Sie alles für den Aufbruch vorbereiten.«
    »Sofort, Meister Chan.« Der gelb Gewandete stand auf. Ein Schatten flog über seine Lächelmiene. »Ein winziges Problemchen scheint mir da noch am Horizont aufzutauchen. Was, wenn der Albino sich in seiner aussichtslosen Lage sofort an den Mann wendet, der beliebt hat, sich König von Schottland zu nennen? Sollten wir hier nicht vorbeugende Maßnahmen ergreifen?«
    »Ihre Umsicht versetzt mich immer aufs Neue in Erstaunen, Bruder Zing.« Meister Chan schenkte dem anderen ein anerkennendes Lächeln. »Allerdings habe ich selbst schon an Stuart gedacht. Und bereits veranlasst, dass er nicht eingreifen wird.«
    ***
    Hoss führte seinen kleinen Stoßtrupp von Norden her nach Stuart Castle. Das Gebirge war dort unwegsamer und sie kamen nicht besonders schnell voran. An steilen Hängen mussten sie absitzen und die Horsays an den Zügeln über Serpentinen durch Geröllfelder und Wald führen. Dafür näherten sie sich der Burg über dicht bewachsenen Kiefernwald, der von Stuart Castles Türmen aus nicht einsehbar war.
    Hoss kannte den Wald wie seine Westentasche. Dort, in den Höhlen etwas abseits einer Lichtung, ließen sie die Horsays zurück. Sie pirschten zu einem Kamm hinauf, wo Felsen aus den Kieferwipfeln ragten, von denen aus die Burg sehr gut zu beobachten war. Hoss hatte das Fernrohr seines Chefs dabei.
    Einen Tag lang beobachteten sie die Gebäude Stuart Castles sorgfältig. Ähnlich wie in Canduly Castle schien auch in ihren Mauern keiner mit Feindseligkeiten zu rechnen, denn die Zugbrücke wurde nur am Abend hoch gezogen und Hirten, Bauern, Jäger und Pilzsammler gingen ein und aus. Die meisten ohne bewaffnete Eskorte.
    Sorgfältig ritzte Hoss die Botschaft in ein Leder, die er mit Varmer abgesprochen hatte. Sie war kurz und lautete ungefähr folgendermaßen: Misch dich nicht in Rulfans Angelegenheiten ein, wenn dir das Leben einer gewissen Frau lieb ist.
    Die anderen putzten ihre Gewehre währenddessen, zählten ihre Munition und überprüften ihre Kampfstäbe. Als die Exekutoren schließlich aufbrachen, ließen sie ihre schwarzen Kutten auf einer Felsnadel zurück.
    Durch dichtes Unterholz schlichen sie an den Fahrweg heran, der zu dem etwa sechs Kilometer entfernten Burggraben und zum Burgtor führte. Am Wegrand versteckten sie sich und warteten auf ihre Chance.
    Obwohl sie den Weg einen ganzen Tag und eine halbe Nacht lang beobachteten, sahen sie nur wenige Menschen: Zwei Wanderer kamen vorbei, zwei Reiter ritten vorüber und einmal rollte Fuhrwerk aus der Richtung der Burg nach Osten.
    In der Morgendämmerung des zweiten Beobachtungstages näherte sich dann eine kleine Herde von Wakudas. Drei Hirten trieben sie der Burg zu. Hoss weckte seine Männer. »Unsere Eintrittskarte nach Stuart Castle«, zischte er und zog sich seine Wakudamaske über.
    Sie schlichen eine Zeitlang neben der Herde her, und als der Weg eine scharfe Biegung machte, fielen vier Exekutoren die beiden Hirten am Schluss der Herde an. Hoss und die anderen beiden gingen auf den Hirten neben dem Leitbullen los.
    Es war ein lautloser Kampf. Er verlief so lautlos wie ungerecht – mit ihren Kampfstäben erschlugen die Exekutoren die ahnungslosen und noch schlaftrunkenen Hirten in Sekundenschnelle. Danach zogen sie die Leichen aus und bedeckten sie abseits des Weges mit Geäst und Geröll.
    Sie zogen deren Mäntel und Hüte an und trieben die Herde nach Stuart Castle. In seiner Gurttasche unter dem schmutzigen Hirtenmantel trug Hoss die Amphore mit dem Betäubungsmittel. Varmer hatte sie ihm gegeben. Unter dem Lederhemd hatte er sich ein etwa sechs Meter langes Seil gebunden.
    Von Meister Chans Nachricht, die ebenfalls in seiner Gurttasche steckte, wussten nur er und der Bote, der sie ihm übergeben hatte. Von der Funkstation an der Küste aus war er ihm und seinen sechs Männern hinterher geritten.
    Weil sie sich Zeit ließen, erreichten sie die Burg erst eine Stunde nach Sonnenaufgang. Die Zugbrücke war schon herunter gelassen; oder hatte man sie in der vergangenen Nacht gar nicht erst hinauf gezogen? Als hätten sie nie etwas anderes getan, trotteten die verkleideten Exekutoren über den Fahrweg zum Burggraben und trieben die Wakudas vor sich her.
    Eine Handvoll Männer und Frauen kamen ihnen über die Zugbrücke entgegen. Einige
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