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297 - Die Zeit läuft ab

297 - Die Zeit läuft ab

Titel: 297 - Die Zeit läuft ab
Autoren: Sascha Vennemann
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Canduly Castle. Je weniger Gas wir für den Auftrieb der MYRIAL II benutzen müssen, desto besser.«
    Matt nickte verstehend. »Okay… solange wir nicht an irgendwelchen Hochhausruinen oder Baumspitzen hängen bleiben.«
    Rulfan grinste. »Keine Angst. In dieser Gegend gibt es kaum nennenswerte menschliche Siedlungen, geschweige denn hohe Bauten. Die Feuer, die ich heute Nacht sehen konnte, stammten hauptsächlich von einzelnen Gehöften und kleineren Dörfern.«
    »Das wird sich bald ändern«, meinte Matt. »Wenn wir nicht an Geschwindigkeit verloren haben, dürften wir im Laufe des Vormittags über Warschau hinwegfliegen. Das letzte Mal, als Aruula und ich dort waren, standen da jede Menge Kathedralen und höhere Gebäude.«
    »Bewohnt von jeder Menge Verrückter!«, murmelte Aruula, die jetzt herangeschlurft kam. Sie hatte sich ihre Decke wie einen Umhang um die Schultern gelegt. Offenbar konnte sie nun doch nicht mehr schlafen oder ihr war so kalt geworden, dass sie beschlossen hatte, aufzustehen. Sie gähnte herzhaft und legte ihren Kopf auf Matts Schulter.
    Zärtlich strich er seiner Gefährtin durch die Haare. Er mochte es, wie sie morgens auf ihn wirkte: warm, noch leicht müde und nach Schlaf riechend, mit zerzauster Frisur. Matt liebte das Wilde, Ungezähmte an ihr, aber er genoss auch diese Momente, in denen sie ihm - bewusst oder unbewusst - das Gefühl gab, dass sie die Schwächere von ihnen beiden war. Dass er ihr Beschützer und Rückzugsort, ja, einfach für sie da sein durfte. Er wusste, die Barbarin wäre auch ohne ihn gut zurechtgekommen. Aber er war immer wieder froh, dass sie sich gefunden hatten und dass dort jemand war, der ihn genauso liebte wie er im Gegenzug sie.
    »Stimmt, etwas seltsam waren die Waarzaner schon drauf«, erinnerte sich Matt.
    »Ein Volk, das seinen weltlichen, nach einem Oberhaupt der katholischen Kirche benannten Führer per Wagenrennen bestimmt… das ist in der Tat ein bisschen verrückt«, stimmte Rulfan zu. Matt hatte ihm die Story einmal erzählt. [4] Mit ein paar schnellen Handgriffen änderte er die Flugrichtung leicht nach Backbord, als eine plötzliche Strömung den Zeppelin vom Kurs abweichen ließ.
    »Immerhin konnten wir mit der Bunker-Community Kontakt aufnehmen und für etwas stabilere Verhältnisse sorgen«, meinte Matt. »Wenn sich alles so entwickelt hat wie vorgesehen, dürfte es in Warschau nun eine Führung aus Oberflächenbewohnern und der immunisierten Bunkerbesatzung geben… das heißt, falls die Community den weltweiten EMP und den dadurch bedingten Ausfall der Serumsproduktion überstanden hat. Leider zeigt die Erfahrung, dass nur etwa zehn Prozent der Technos ohne das Immunserum überlebt haben.«
    Im Hintergrund hörte man Xij husten. Die junge Frau zog sich seit ihren Erlebnissen in Agartha oft zurück. Ihre burschikose Art war einem schweigenden In-sich-gekehrt-sein gewichen. Sie musste erst verarbeiten, dass plötzlich ungezählte Geister früherer Leben in ihrem Kopf waren - auch wenn sie sich nicht alle zugleich offenbart hatten, sondern erst dann zutage traten, wenn ein bestimmtes Wissen oder eine Fähigkeit gebraucht wurde.
    Aruula hatte ein paarmal mit Xij zu sprechen versucht, aber die hatte sie immer wieder abgewimmelt und erklärt, über die Geschehnisse der vergangenen Wochen in Ruhe nachdenken zu wollen. Matthew respektierte das, wenn es ihn auch etwas irritierte. Bisher hatte er Xij als relativ sorglosen, lebenslustigen Charakter empfunden. Ihre grüblerische Ader war ihm bisher verborgen geblieben und schien auch nicht richtig zu ihr zu passen.
    Xij richtete sich von ihrem Lager auf, hustete wieder und fasste sich an die Stirn.
    Aruula ging zu ihr hinüber. »Kopfschmerzen?«
    Xij nickte. »Ich werde noch was von meiner Medizin nehmen«, meinte sie, kramte einen kleinen Beutel hervor und schüttete sich etwas von einem violetten Pulver auf die Hand - das wohl auch der Grund für ihre lila gefärbte Zunge war, über die sie sich anfangs alle gewundert hatten. Darauf angesprochen hatte Xij es als »eine Art Aspirin, rein pflanzlich« beschrieben.
    Sie leckte das Pulver von der Hand. Matt erschrak: Xijs Zunge sah krank aus, war altrosa-gräulich geworden.
    Hoffentlich weiß sie, was sie da tut , ging es Matt durch den Kopf. Ich muss dieses Pulver bei Gelegenheit mal genau untersuchen; mit den Analysegeräten im PROTO… So nannten sie den Radpanzer, den sie bei ihrem Aufbruch nahe dem Dorf der Ex-Versteinerten gut versteckt
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