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297 - Die Zeit läuft ab

297 - Die Zeit läuft ab

Titel: 297 - Die Zeit läuft ab
Autoren: Sascha Vennemann
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zurückgelassen hatten.
    Der Mann aus der Vergangenheit beobachtete, wie Xij sich entschuldigend wieder hinlegte. Aruula deckte sie zu und trat dann an ihre eigene Koje, um sich ihre Stiefel und ein knappes Lederoberteil anzuziehen. Offenbar fröstelte sie tatsächlich ein wenig, denn für gewöhnlich machte es ihr nichts aus, barbusig zu sein.
    Rulfan legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Noch einmal wegen des Wasserstoffs…«, begann er. »Du hast erzählt, dass bei dem GePe , dem Wagenrennen in Waarza, alle möglichen Fahrzeugtechniken zum Einsatz kamen. Hältst du es für möglich, dass es irgendwo in der Stadt noch Gasreserven gibt, die wir für uns nutzen könnten?«
    Matt zuckte mit den Schultern. »Gut möglich. In den letzten Jahren gibt es immer mehr Retrologen in den Städten. Warum nicht auch in Waarza? Mit etwas Glück funktionieren vielleicht auch Teile des örtlichen Bunkers noch, sodass wir sogar Wasserstoff herstellen und in die leeren Flaschen abfüllen können.«
    »Dann sollten wir das in Erwägung ziehen«, sagte Rulfan. »Ich fürchte nämlich, dass unser Vorrat kaum noch bis nach Doyzland reicht, geschweige denn bis Britana. Und bei den Ex-Versteinerten werden wir ganz gewiss keine Gasvorräte finden.«
    Matthew Drax nickte, aber ihm war nicht wohl bei der Sache. Zwar hatten sie damals in Waarza Freunde gefunden, aber wie schnell sich die Dinge ändern konnten, hatten sie mehr als einmal schmerzlich erfahren müssen. Wer wusste schon, wie es heute in der Stadt aussah…?
    ***
    Zwei Stunden später schälte sich das ehemalige Warschau aus der diesigen Umgebung, und was Matt und seine Begleiter dort unter sich liegen sahen, raubte ihnen schier den Atem.
    Schon lange bevor die ersten Gebäudesilhouetten aus der trüben Suppe auftauchten, rochen und hörten sie Waarza. Je näher sie der Stadt mit dem Luftschiff kamen, desto intensiver wurde der Geruch von Kohle- und Holzfeuern. Schwarzer und weißer Rauch umgaben die Hauptstadt wie eine Glocke, eine Melange aus Ruß und Wasserdampf, die sich sofort als schmierig-öliger Film auf den Scheiben der MYRIAL II niederschlug.
    Schweigend flogen sie über die äußeren Viertel und wollten ihren Augen nicht trauen.
    Matt erkannte die Stadt kaum wieder. Abgesehen von der zum Schneiden dicken Luft erinnerte sie mehr an ein viktorianisches London als eine postapokalyptische Siedlung, die einst eine osteuropäische Metropole gewesen war. Er sah die Essen zahlreicher größerer Gebäude, die tiefschwarzen Qualm in den Mittagshimmel schickten. Auf den vom Regen feucht glänzenden Kopfsteinpflasterstraßen rumpelten dampfbetriebene Fahrzeuge umher, ihre durch Spiegel in ihrer Leuchtkraft verstärkten Scheinwerfer schnitten mit zitternden Lichtkegeln durch den Smog.
    Horsay-Gespanne suchten sich ebenfalls ihren Weg, fuhren zum Teil wild zwischen den mechanischen Ungetümen hindurch, die unterschiedlich schnell durch die Häuserschluchten tuckerten. Rulfan fasste Matt am Oberarm und deutete auf einige Gebilde, die wohl Straßenlaternen darstellten. Eine öffentliche Wegbeleuchtung? »Das sieht aus wie Gaslaternen!«, sagte der Albino. »Mir scheint, als hätten wir gefunden, was wir suchen!«
    Matt war immer noch fassungslos. Wie hatte sich das Gesicht der Stadt innerhalb so weniger Jahre derart ändern können? Eine Dampfkraft-Zivilisation? Gut, Ansätze dafür waren in einigen Fahrzeugen, die am GePe teilgenommen hatten, sicher vorhanden gewesen. Aber dass sich eine gesamte Stadt auf diese Technik einschoss, das war doch sehr ungewöhnlich.
    Es muss damit zu tun haben, dass damals, als wir fortgingen, die Bunkerbewohner auf der Bildfläche erschienen sind , überlegte er.
    Hufgetrappel, das Schleifen von Metallrädern über kiesigen Untergrund und ein aus allen Ecken der Stadt erschallendes Hämmern und Stampfen drang zu ihnen in die Gondel vor. Zahllose Menschen waren unterwegs. In den Seitenstraßen sah Matthew Marktstände und kleinere Geschäfte, Leute auf hölzernen Lauf- oder Dampfrädern.
    »Sind wir hier auch richtig?«, fragte Aruula schließlich. »Das ist nicht das Waarza, das ich in Erinnerung habe.«
    »Nein«, murmelte Matt. »Nein, ich auch nicht…«
    Rulfan wandte den Blick von der bizarren Stadt ab und ging zum Steuerstand des Luftschiffs. »Verschaffen wir uns einen Überblick über die Größe der Stadt und davon, was in ihr vorgeht. Aus der Luft, versteht sich. Vielleicht finden wir irgendwo einen guten Platz, an dem wir landen können.
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