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297 - Die Zeit läuft ab

297 - Die Zeit läuft ab

Titel: 297 - Die Zeit läuft ab
Autoren: Sascha Vennemann
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Verletzungen sie davontragen würden. Oleg wischte sich den Schweiß von der Stirn und schickte sich an, über den Mauerrest zu spähen. Offenbar wollte er die Lage sondieren, denn neben den ratternden Geräuschen des vorrückenden Dampfpanzers und den leisen Rufen der etwa ein Dutzend Männer des Solnosc hatten sie keinerlei Orientierung, wo sich der Feind gerade befand. Und auch die Geräusche konnten täuschen, hallten sie doch von der Häuserwänden der Straße wider.
    »Hey, was hast du vor?«, knurrte Jola leise und hieb ihrem Kameraden gegen die Schulter. »Lasst euch nicht sehen! Vielleicht haben wir dann eine Chance!«
    Tomasz zog die Nase hoch und sah sie ungläubig an. »Du willst hier weiter hocken bleiben? Wenn sie ausschwärmen, war's das für uns! Ich habe keine große Lust, in den Kerkern des Solnosc zu verrecken!« Der Rothaarige wandte sich an Oleg. »Du etwa?«
    Olegs verfilzte schwarze Mähne flog hin und her, als er den Kopf schüttelte. Dennoch ging er nach Jolas Rüffel wieder in Deckung.
    »Wir können jetzt nicht weg!«, schnappte Jola und zog eine mit Stoff umwickelte Spiegelscherbe aus ihrer Jackentasche. »Wir müssen rauskriegen, was das für eine neue Waffe ist!« Sie presste sich mit dem Rücken gegen die Mauer und checkte den Sonnenstand. Waarza lag wie meist unter einer düsteren Wolken- und Staubdecke. Der verwaschene Fleck, der die Sonne darstellte, lag ihr gegenüber; der Spiegel würde also auch keinen zufälligen Sonnenstrahl reflektieren können. Sie hob vorsichtig den Arm und schaute mit dem Spiegel über die Mauer hinweg.
    Tomasz und Oleg drängten sich an sie und versuchten ebenfalls einen Blick zu erhaschen.
    Jola war überrascht, dass der Trupp schon so nahe heran war. Andererseits hatte sie so eine besonders gute Sicht auf das Gebilde, das auf den flachen Anhänger des Panzers montiert war.
    Auf den ersten Blick wirkte es wie eine riesige metallene Vase, die mit Nieten besetzt war. Sie lag auf einem Gittergestell, unter dem es munter flackerte. Der Soldat, der die Kanone bediente, legte gerade ein paar Scheite Birkenholz nach.
    »Ein Kessel…«, stellte Oleg fest. »Und das da am hinteren Teil sind wohl Wasserbehälter. Also gewöhnliche Dampftekknik, wie wir sie kennen.«
    Jola presste die Lippen aufeinander. »Ich muss dieses Ding in Aktion sehen!«, meinte sie und nickte Tomasz zu. »Wirf einen Stein gegen die Mauer gegenüber. Am besten gegen eines der Fenster, damit es aussieht, als wäre dort jemand.«
    Tomasz fuhr sich mit den Fingern durch die roten Haarstoppeln. »Äh, und wenn dort tatsächlich jemand wohnt? Wir können doch nicht unschuldige Menschen in Gefahr…«
    »Wenn dort jemand wohnt, hat er sich längst in den Keller verkrochen!«, unterbrach ihn die Blonde. »Was schlägst du als Alternative vor? Dass wir herumspringen und winken?«
    Tomasz sah zu Oleg, der nur mit den Schultern zuckte. »Sie hat recht«, sagte er schließlich. »Erst wenn wir wissen, womit wir es zu tun haben, können wir Gegenmaßnahmen ergreifen.«
    »Also gut.« Tomasz krallte sich ein Ziegelbruchstück vom Fuß der Mauer. »Bereit?«
    »Alles klar!« Jola starrte konzentriert auf das Spiegelbild in der Scherbe. Tomasz' Wurf war perfekt. Der Stein landete im ersten Stock des gegenüberliegenden Gebäudes auf der äußeren Fensterbank. Das klackernde Geräusch übertönte sogar das Rasseln des Panzerantriebs.
    Augenblicklich bedienten die beiden Fußsoldaten neben dem Hänger zwei Hebelkonstruktionen, mit denen die Kanone in Position gebracht wurde. Zahnräder griffen ineinander und schraubten sie einen halben Meter nach oben und nach links. Der Soldat hinter der Waffe bediente einen weiteren Hebel und der altbekannte dumpfe Schlag ertönte.
    Die Luft vor der Kanone schien zu wabern und Schlieren zu ziehen. Staub, Laub und Unrat wirbelten auf.
    Die Wand des Hauses wurde regelrecht pulverisiert! Anders als bei einem konventionellen Beschuss mit Projektilen war nicht nur der Einschlagsbereich betroffen - die Schallwellen liefen weit auseinander und legten auch Teile der Nachbargebäude links und rechts in Trümmer! Selbst Jola und ihre beiden Begleiter spürten noch Ausläufer der ungeheuren Kräfte, die da am Werke waren.
    Dampf trat aus der Kanonenöffnung aus, und während das getroffene Gebäude endgültig in sich zusammenfiel, setzten sich der Panzer und die Soldaten wieder in Bewegung. Man musste sich keine Gedanken um etwaige Überlebende zu machen. Einen solchen Beschuss
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