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293 - Running Men Blues

293 - Running Men Blues

Titel: 293 - Running Men Blues
Autoren: Stephanie Seidel
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Heute war es anders. Heute war alles anders in der alten Stadt am Potomac, die so vielen Bedrohungen getrotzt hatte und doch binnen weniger Stunden vor der Tücke und Grausamkeit des Tentakelmonsters kapitulieren musste.
    Black sah einen brennenden Buggy am Straßenrand, schwarz skelettiert inmitten fauchender Flammen. Panisch verschossene Salven hatten die Häuserfassaden zersiebt; das Grünzeug in den Vorgärten war zermalmt und zertreten. Überall rannten Soldaten herum. Black konnte nicht sagen, ob es Garretts Männer waren oder Crows Kreaturen.
    Es wurde auch unwichtig angesichts der wahren Katastrophe des heutigen Tages: den Opfern unter der Zivilbevölkerung. Sie lagen auf dem Asphalt, wie hingeworfen. Regen prasselte auf ihre Gesichter und in ihre Wunden, spülte ihr Blut in den Rinnstein. Neben den Trümmern der Straßenbarrikade kniete eine Greisin. Ihr Haar hing in Strähnen herunter, die Kleidung war zerrissen. Sie wiegte ein stilles kleines Fellbündel in den Armen und weinte bitterlich.
    Black hörte Alexandra Cross neben sich aufschluchzen. Heimlich tastete er nach ihrer Hand und drückte sie sacht. Durchhalten , sollte das heißen.
    Laut sagte er: »Also gut: Crow hat uns überrascht. Aber das schafft er kein zweites Mal! Ich werde mich um ihn kümmern, sobald ich ein sicheres Quartier für die Präsidentin gefunden habe. Irgendeinen Vorschlag, Keeva?«
    Das Indianermädchen überlegte. »Es gibt eine Taverne in den Goonshacks…«
    »Augenblick mal!«, protestierte Cross.
    Black wandte sich ihr zu. »Bitte, Madam President! Sie müssen untertauchen! Im Moment weiß keiner, wer Freund oder Feind ist, wann sich die Lage entspannt und wie es weitergehen soll. Hier draußen wären Sie in tödlicher Gefahr, und dabei könnten Sie gar nichts ausrichten.«
    »Danke für Ihr Vertrauen, Richter!«, antwortete die Präsidentin spitz. »Im Übrigen sehe ich ein, dass ich untertauchen muss. Aber warum ausgerechnet in den Goonshacks?«
    »Weil es ein Ort ist, an dem Crow Sie nie vermuten würde«, sagte Black. Er nickte Keeva zu. »Guter Vorschlag! Erzähl mir von der Taverne.«
    »Sie heißt Cold Fangs , liegt tief in den Goonshacks und gehört meinem Vater. Es gibt da auch… na ja: Zimmer.«
    »Die Kundschaft?«
    »Nur Leute aus dem Viertel. Ab und zu Händler von außerhalb, die in die Stadt wollen. Aber seit der großen Dürre ist keiner mehr gekommen.« Keevas dunkle, mandelförmige Indianeraugen suchten den Blick des Richters. »Mein Vater würde Sie nie verraten, Mr. Black«, sagte sie ruhig und fügte hinzu: »Auch nicht die Präsidentin.«
    Ein schweres Militärfahrzeug rollte heran. Noch ehe es angehalten hatte, sprangen Soldaten von der Ladefläche und schwärmten aus. Wortlos machten sie sich daran, die Toten aufzulesen.
    Ein Uniformierter sah flüchtig zu den Gefährten herüber, die bei den Büschen am Parktor standen, wo der Flammenschein des immer noch brennenden Buggys nicht hinreichte. Der Mann runzelte die Stirn. Als er durch den Zuruf eines Kameraden abgelenkt wurde, setzte sich Black mit den Frauen in Bewegung.
    Alexandra Cross, deren mauvefarbenes Kostüm trotz Regen und Schmutzflecken auffiel, schirmte er mit seinem Körper so gut wie möglich vor den Menschen auf der Straße ab.
    Es kostete größte Mühe, nur nach vorn zu blicken. Wenn jemand die Präsidentin erkannte und womöglich ihren Namen rief, war die Flucht zu Ende! Die Soldaten würden auf jeden Fall reagieren, selbst wenn sie vielleicht keinen Befehl hatten, Cross zu verhaften: Da die Präsidentin normalerweise nicht verdreckt und zerzaust durch die Stadt irrte, war es klar, dass das Pentagon benachrichtigt werden musste.
    Angespannt schafften es die drei bis zur nächsten Kreuzung. Auf der ehemaligen Pennsylvania Avenue fand Mr. Black ein unbewachtes Fahrzeug. Er schloss es kurz, half seinen Begleiterinnen hinein und fuhr los, Richtung Goonshacks.
    Georgetown hieß das Viertel einst. Es lag direkt am Potomac, oberhalb des Theodore Roosevelt Island, knappe sieben Blocks von der George Washington-Universität entfernt. Die Namen waren längst vergessen. Kristofluu hatte sie ausgelöscht, und von den schönen öffentlichen Gebäuden und dem Charme nostalgischer Privathäuser war nichts geblieben außer Ruinen.
    Schwarze Fensterhöhlen starrten auf das nahende Fahrzeug. Überall lagen Dreck und Abfälle herum, Horden von Ratzen rannten quiekend davon. Das war Georgetown heute: das Armenviertel Waashtons. Von Leuten besiedelt, die
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